24.10.2012 Verkehrsrecht

VwGH: Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung (hier: paranoide Persönlichkeitsstörung)

Eine Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kommt nur dann in Betracht, wenn seit ihrer Erteilung die Umstände in Bezug auf die Erteilungsvoraussetzungen nach § 3 Abs 1 Z 2 bis 4 FSG sich entscheidend geändert haben


Schlagworte: Führerscheinrecht, Entziehung / Einschränkung der Lenkberechtigung, gesundheitlich geeignet, Verkehrszuverlässigkeit, psychische Krankheiten
Gesetze:

§ 3 FSG, § 7 FSG, § 24 FSG, § 25 FSG, § 5 FSG-GV, § 13 FSG-GV, § 68 AVG, § 69 AVG

GZ 2010/11/0151, 18.09.2012

 

VwGH: § 24 Abs 1 FSG erlaubt die Entziehung oder Einschränkung einer Lenkberechtigung nur dann, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung "nicht mehr gegeben sind". Eine Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kommt daher nur dann in Betracht, wenn seit ihrer Erteilung die Umstände in Bezug auf die Erteilungsvoraussetzungen nach § 3 Abs 1 Z 2 bis 4 FSG sich entscheidend geändert haben. Aus der Rechtskraft der Erteilung der Lenkberechtigung folgt, dass bei im Wesentlichen unverändertem Sachverhalt in Bezug auf die Erteilungsvoraussetzungen die Lenkberechtigung nur als Folge einer Wiederaufnahme des Erteilungsverfahrens durch Abweisung des Erteilungsantrages oder Erteilung einer eingeschränkten Lenkberechtigung der Sache nach entzogen oder eingeschränkt werden kann.

 

Unstrittig ist, dass dem Bf mit Bescheid der BH Vöcklabruck vom 19. August 2008 - befristet bis zum Ablauf des 27. Juli 2010 - die Lenkberechtigung für die Klasse B erteilt wurde (die aus diesem Anlass zusätzlich vorgeschriebene "Auflage eine 3monatige Kontrolluntersuchung bei einem Facharzt für Psychiatrie" wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid aufgrund ihrer Missverständlichkeit als nicht rechtswirksam beigesetzt qualifiziert).

 

Dieser Bescheid war damit begründet, dass sich laut einer (im Verwaltungsakt erliegenden) ärztlichen Stellungnahme Dris. W., eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, vom 3. Juli 2008 der Zustand des Bf, bei dem eine anhaltend wahnhafte Störung und eine querulatorische Persönlichkeitsstörung vorliege, gegenüber der letzten Untersuchung nicht verändert hätte und die Erteilung einer Lenkberechtigung für zwei Jahre, dies unter der Auflage der Durchführung von psychiatrischen Kontrolluntersuchungen im Abstand von drei Monaten, in Betracht komme. Überdies war im erwähnten Bescheid ausgeführt, dass der Bf bei einer verkehrspsychologischen Testung Defizite im Bereich der visuellen Auffassung, der Reaktionssicherheit, der Belastbarkeit und des Konzentrationsvermögens aufgewiesen habe.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass bereits anlässlich der Erteilung der Lenkberechtigung im Jahr 2008 beim Bf erhebliche Beeinträchtigungen vorlagen, die zumindest Zweifel an seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kfz nach sich zogen.

 

Der angefochtene Bescheid lässt, ebenso wie die von der belangten Behörde verwerteten ärztlichen Stellungnahmen (Dris. D. und Dris Wim.) und die verkehrspsychologische Stellungnahme (Dris. Wei.), nicht erkennen, inwiefern sich seit der zuletzt erfolgten Erteilung der Lenkberechtigung im Jahr 2008 der Zustand des Bf entscheidend verschlechtert haben sollte. Das gilt sowohl für die von den Ärzten angenommene paranoide Persönlichkeitsstörung als auch für die verkehrspsychologischen Parameter.

 

Im Übrigen enthält der angefochtene Bescheid auch keine Feststellungen dazu, inwieweit die beim Bf unstrittig vorliegenden Beeinträchtigungen auf psychiatrischem Gebiet überhaupt Auswirkungen auf das Lenken von Kfz haben (dass der Bf im Straßenverkehr auffällig geworden wäre, wird von der belangten Behörde nicht festgestellt). Wie die belangte Behörde selbst zutreffend ausführt, schließen derartige Beeinträchtigungen die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kfz nicht zwingend aus.

 

Im Lichte der oben wiedergegebenen Judikatur erweist sich der angefochtene Bescheid demnach mit auf einer Verkennung der Rechtslage beruhenden Feststellungsmängeln behaftet.

 

Es sei in diesem Zusammenhang klargestellt, dass der angefochtene Bescheid auch dann rechtswidrig wäre, wenn man, anders als die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, zur Auffassung gelangte, der seinerzeitige Bescheid vom 19. August 2008 habe die Lenkberechtigung für zwei Jahre unter der Auflage erteilt, dass sich der Bf im Abstand von drei Monaten einer psychiatrischen Kontrolluntersuchung unterziehe, weil die Nichteinhaltung einer solchen Auflage nicht per se zur Annahme des Fehlens der gesundheitlichen Eignung führt, sondern gem § 7 Abs 3 Z 12 FSG eine bestimmte Tatsache bildet, welche allenfalls die Verkehrszuverlässigkeit des Betreffenden ausschließt.