10.10.2012 Verfahrensrecht

VwGH: Abgabestelle nach § 2 Z 4 ZustG bei juristischer Person (iZm Adressänderung)

Zustellrechtlich sind die faktischen Verhältnisse und nicht die Firmenbucheintragung entscheidend


Schlagworte: Zustellrecht, Abgabestelle, juristische Person, Adressänderung, Firmenbucheintragung, faktische Verhältnisse
Gesetze:

§ 2 Z 4 ZustG, § 3 FBG, § 10 FBG

GZ 2012/04/0013, 18.06.2012

 

VwGH: Gem § 2 Z 4 ZustG ist Abgabestelle ua der Sitz des Empfängers. Gem § 13 Abs 1 erster Satz ZustG ist das Dokument dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist der Empfänger keine natürliche Person, so ist gem § 13 Abs 3 ZustG das Dokument einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen.

 

Gem § 3 Z 4 FBG sind bei allen Rechtsträgern der Sitz und die für Zustellungen maßgebliche Geschäftsanschrift einzutragen. Gem § 10 Abs 1 FBG sind Änderungen eingetragener Tatsachen, unbeschadet sonstiger gesetzlicher Vorschriften, beim Gericht unverzüglich anzumelden; das Gericht hat die Eintragungen entsprechend zu ändern, im Fall ihrer Unzulässigkeit zu löschen.

 

Der Sitz einer juristischen Person als Abgabestelle nach § 2 Z 4 ZustG ist primär deren handelsrechtlicher Sitz aufgrund der Firmenbucheintragungen, soweit dieser mit dem Sitz der Hauptverwaltung übereinstimmt. Ist dagegen jener Sitz nicht mehr als eine "reine Briefkastenadresse", tritt an die Stelle des handelsrechtlichen Sitzes als Abgabestelle jener Ort, an dem deren Hauptverwaltung geführt wird, werden doch dort die Maßnahmen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt.

 

Dass zustellrechtlich die faktischen Verhältnisse und nicht die Firmenbucheintragung entscheidend sind, ergibt sich schon daraus, dass Abgabestelle nach § 2 ZustG ein Ort ist, an dem eine physische Zustellung (Sendung in Papierform) erfolgen kann und somit bei juristischen Personen das Dokument gem § 13 Abs 3 ZustG einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zugestellt werden kann.

 

Zwar sehen § 3 Z 4 und § 10 Abs 1 FBG eine Verpflichtung zur Anmeldung einer Adressänderung beim Firmenbuch vor. Diese Bestimmungen haben aber nicht zur Folge, dass die Zustellung an die im Firmenbuch zuletzt bekannt gegebene Adresse mit den Wirkungen einer gültigen Zustellung vorgenommen werden kann.

 

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde selbst im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass der Firmensitz der Bf "nunmehr" (eine weitere zeitliche Festlegung erfolgte nicht) an die Adresse B-Straße 20 verlegt worden sei. Gleichzeitig musste ihr als Gewerbebehörde 2. Instanz aus dem Gewerberegister bekannt sein, dass seit 16. April 2004 an dieser Adresse der Standort der Gewerbeberechtigung gelegen ist.

 

Sie hätte sich daher nach dem Obgesagten nicht - wie sie in ihrer Gegenschrift an den VwGH vorbringt - auf die Eintragung im Firmenbuch nach § 3 Z 4 FBG verlassen dürfen, sondern hätte für das Vorliegen eines Sitzes als Abgabestelle nach § 2 Z 4 ZustG prüfen müssen, ob an diesem Ort tatsächlich die Hauptverwaltung der Bf geführt wurde und daher eine Zustellung an einen Vertreter nach § 13 Abs 3 ZustG erfolgen konnte.