04.01.2012 Wirtschaftsrecht

VwGH: Vertiefte Angebotsprüfung nach § 125 BVergG 2006 – (nicht) plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises iSd § 129 Abs 1 Z 3 BVergG 2006 (hier: iZm Fremdleistungskosten)

Die Beurteilung der Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit ist unter Beachtung der Kriterien des § 125 Abs 4 Z 1 bis 3 BVergG 2006 vorzunehmen, also auch unter dem Gesichtspunkt, ob im Preis aller wesentlichen Positionen auch alle direkt zuordenbaren Fremdleistungskosten enthalten sind


Schlagworte: Vergaberecht, Prüfung der Angemessenheit der Preise, vertiefte Angebotsprüfung, Ausscheiden von Angeboten, nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises, Fremdleistungskosten, kostendeckende Kalkulation, Sachverständige, Geschäftsgeheimnisse
Gesetze:

§ 125 BVergG 2006, § 129 BVergG 2006

GZ 2007/04/0201, 22.11.2011

 

Die Beschwerde wendet sich gegen den von der belangten Behörde angelegten Maßstab für die Beurteilung, ob der Gesamtpreis des Angebotes der Zuschlagsempfängerin iSd § 129 Abs 1 Z 3 iVm § 125 BVergG 2006 plausibel zusammengesetzt war, und gegen das Ergebnis dieser Beurteilung.

 

VwGH: Nach stRsp des VwGH zur vertieften Angebotsprüfung nach § 125 BVergG 2006 ist es Aufgabe des Auftraggebers, die Angemessenheit der Preise (gegebenenfalls im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung) zu beurteilen. Die Vergabekontrollbehörde hat nicht nur zu prüfen, ob die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden ist. Sie hat vielmehr - ebenso wie der Auftraggeber bei der vertieften Angebotsprüfung - unter Berücksichtigung der auch dem Auftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit in der Regel aus sachverständiger Sicht zu prüfen, wobei im Einzelnen die in § 125 Abs 4 Z 1 bis 3 BVergG 2006 genannten Kriterien maßgeblich sind. Da es sich hiebei um eine Plausibilitätsprüfung handelt, muss zweifellos nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur - grob - geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann.

 

Im vorliegenden Fall hat die Auftraggeberin aufgrund des ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreises des Angebotes der Zuschlagsempfängerin (der Gesamtpreis betrug weniger als die Hälfte des geschätzten Auftragswertes) im Vergabeverfahren eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt und ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, die Kalkulation der Zuschlagsempfängerin sei kostendeckend und der von ihr angebotene Gesamtpreis plausibel, weil diese knapp kalkulierte Preise in Kauf nehme, um ihren Marktanteil in einem wesentlichen Sektor (öffentliche Hand) zu erhöhen.

 

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen die Argumentation der Auftraggeberin übernommen und gelangte gleichfalls zum Ergebnis, die Kalkulation der Zuschlagsempfängerin sei kostendeckend und der Preis nachvollziehbar.

 

Dem steht das Vorbringen der Bf im Nachprüfungsantrag entgegen, das Angebot der Zuschlagsempfängerin könne nicht kostendeckend sein, weil darin nach den Vorgaben in der Ausschreibung auch Fremdleistungen enthalten seien (Kosten für die benötigten Endgeräte, für die Rufnummernportierung und für das Mobiltelefon-Gesprächsentgelt in fremde Netze, sog Terminierungsentgelte), auf welche die Zuschlagsempfängerin keinen bzw nur geringen Einfluss habe. Der Einwand ist von Bedeutung, weil nach der Rsp die Beurteilung der Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit unter Beachtung der Kriterien des § 125 Abs 4 Z 1 bis 3 BVergG 2006 vorzunehmen ist, also auch unter dem Gesichtspunkt, ob im Preis aller wesentlichen Positionen auch alle direkt zuordenbaren Fremdleistungskosten enthalten sind.

 

Die belangte Behörde begegnete einem Teil dieses Einwandes (nämlich soweit er das Mobiltelefon-Gesprächsentgelt betrifft) bloß damit, dass sog 0-Cent-Tarife marktüblich seien und dass im Übrigen auch nicht kostendeckende Preise, wenn diese der Markteinführung oder -erweiterung dienten, nachvollziehbar seien.

 

Nach der dargestellten Rsp des VwGH ist jedoch die Beurteilung der Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit in der Regel aus sachverständiger Sicht zu prüfen. Dies gilt insbesondere auch für den vorliegenden Fall, ist doch der Bf zu folgen, dass die Beurteilung der Kalkulationsgrundlage, insbesondere der Kostenstruktur, von Mobilfunkunternehmen komplexe fachspezifische Fragen aufwirft. An diesem Erfordernis vermag der Umstand, dass die Auftraggeberin - ihre - vertiefte Angebotsprüfung (im Vergabeverfahren) auf Basis eines von Sachverständigen stammenden Amtsvermerks durchführte, schon deshalb nichts zu ändern, weil dies die Vergabekontrollbehörde nicht entbunden hat, konkrete Einwände im Nachprüfungsverfahren gegen die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit ebenfalls einer Beurteilung aus sachverständiger Sicht zu unterziehen.

 

Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift gegen die Beiziehung eines Sachverständigen einwendet, durch ein Gutachten würden Geschäftsgeheimnisse preisgegeben, so ist ihr zu erwidern, dass es an der Behörde liegt, einen Sachverständigen entsprechend zu beauftragen (indem etwa schutzwürdige Geschäftsdaten in einem gesonderten Teil des Gutachtens wiedergegeben werden, der nicht allen Parteien zur Kenntnis gelangt).

 

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Preisangemessenheit immer in Bezug auf die "ausgeschriebene" Leistung zu beurteilen ist. Im vorliegenden Fall ist daher der Angebotspreis auch im Hinblick auf die (im Leistungskatalog der Ausschreibung Pkt 7.3.4. unter M28 verpflichtend vorgesehene) Rufnummernportierung für 7.000 Mobiltelefone (siehe auch Kurzleistungsverzeichnis Pos 9) zu beurteilen, ohne dass es, wie die Auftraggeberin offenbar meinte, darauf ankommt, ob diese Rufnummernportierung tatsächlich realisiert werden soll.