27.12.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Zu den Auswirkungen möglicherweise erforderlicher Rückstellungen auf die Offenlegungspflicht gem § 277 UGB

Die in §§ 277 ff UGB statuierte Offenlegungspflicht sieht keine Ausnahmen für Fälle vor, in denen einzelne Bilanzpositionen mit Unsicherheit behaftet sind


Schlagworte: Unternehmensrecht, Firmenbuchrecht, Offenlegungspflicht, Jahresabschluss, verspätete Einreichung, möglicherweise erforderliche Rückstellungen, Zwangsstrafen
Gesetze:

§ 277 UGB, § 283 UGB, § 198 UGB, § 201 UGB

GZ 6 Ob 225/11y, 24.11.2011

 

OGH: Der OGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass zur Wahrung der Frist des § 277 UGB auch die Einreichung eines vorläufigen Jahresabschlusses ausreichen kann. Bei allfälligen späteren Änderungen (vgl auch § 277 Abs 1 letzter Satz UGB) ist der geänderte Jahresabschluss nachträglich beim Firmenbuchgericht einzureichen. Von dieser Rechtsansicht abzugehen besteht kein Anlass.

 

Die in §§ 277 ff UGB statuierte Offenlegungspflicht sieht keine Ausnahmen für Fälle vor, in denen einzelne Bilanzpositionen mit Unsicherheit behaftet sind. Vielmehr enthält das Rechnungslegungsrecht ausreichend Möglichkeiten, gegenüber Dritten wahrscheinlich bestehende Verbindlichkeiten oder drohende Verluste aus schwebenden Geschäften auszuweisen. In diesem Sinne ordnet § 201 Abs 2 Z 4 UGB an, dass erkennbare Risken und drohende Verluste in die Bilanz aufzunehmen sind, sobald sie entstanden und erkennbar geworden sind, obgleich der endgültige Eintritt oder das endgültige Ausmaß der Belastung ungewiss ist. Nach dieser Bestimmung darf ein Unternehmer für die am Stichtag bestehenden, dem Betrag nach aber noch nicht feststehenden Schulden sowie für zu erwartende Aufwendungen und Verluste Rückstellungen in der Bilanz ansetzen. Dabei gebietet das Vorsichtsprinzip, auch solche Schulden auszuweisen, die mit Elementen der Ungewissheit behaftet sind.

 

Die Rechtsansicht der Revisionsrekurswerber würde demgegenüber dazu führen, dass wegen Unsicherheiten bezüglich einer Bilanzposition die Offenlegung des Jahresabschlusses überhaupt unterbleibt und damit die Gläubiger bzw andere interessierte Dritte keinerlei Informationen über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft erhielten. Ein derartiges Verständnis des Gesetzes läuft aber dem Zweck der Bilanzpublizität diametral zuwider.