VwGH: Einstellung des Arbeitslosengeldes gem § 24 AlVG und Wiedermeldung nach Bezugsunterbrechung gem § 46 AlVG
Im Hinblick darauf, dass mit der Novelle BGBl I Nr 71/2003 das Verfahren betreffend die Einstellung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung formalisiert wurde und mit dieser Novellierung der Rechtsschutz des Beziehers von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung verbessert werden sollte, kann die zur Rechtslage vor der Novelle BGBl I Nr 71/2003 ergangene Rsp, wonach ein Bescheid, mit welchem ausgesprochen werde, Notstandshilfe stehe ab einem bestimmten Zeitpunkt zu, implizit auch einen bescheidmäßigen Abspruch über die Einstellung beinhalte, für die Rechtslage nach der Novellierung BGBl I Nr 71/2003 nicht aufrecht erhalten werden
§ 24 AlVG, § 46 AlVG
GZ 2008/08/0158, 07.09.2011
VwGH: Gem § 24 Abs 1 AlVG ist die bezugsberechtigte Person von der amtswegigen Einstellung "unverzüglich" durch Mitteilung in Kenntnis zu setzen. Eine (von der regionalen Geschäftsstelle des AMS zu vertretende) Verzögerung der Mitteilung ist aus dem unbestrittenen Sachverhalt - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht ableitbar: Der belangten Behörde wurde die Aufnahme der Beschäftigung (also der Grund für die Einstellung der Leistung aus der Arbeitslosenversicherung) erst am 30. November 2007 (einem Freitag) durch eine Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger bekannt. Die regionale Geschäftsstelle gab - laut Vorbringen des Bf - die Einstellung des Bezuges mit Mitteilung vom 3. Dezember 2007, also dem darauf folgenden Montag bekannt; eine Verzögerung der Behandlung ist sohin nicht erkennbar. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht auch hervor, dass der Bf der regionalen Geschäftsstelle des AMS weder einen Telefonanschluss noch eine E-Mail-Adresse bekannt gegeben hatte, sodass auch insoweit eine raschere Bekanntgabe nicht möglich war.
Eine Verzögerung dieser Mitteilung kann lediglich insoweit erkannt werden, als sie nicht unmittelbar mit Eintritt des Einstellungsgrundes, also der Aufnahme der Beschäftigung des Bf erfolgte. Diese Verzögerung beruht aber ausschließlich auf dem rechtswidrigen Verhalten des Bf, der die Aufnahme der Beschäftigung entgegen § 50 Abs 1 AlVG nicht unverzüglich der regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat. Über diese Anzeigepflicht wurde aber der Bf regelmäßig mit der Antragstellung auf Notstandshilfe belehrt. Diese Verzögerung ist daher ausschließlich dem Bf anzulasten.
Im Übrigen besteht aber auch kein rechtlich relevanter zeitlicher Zusammenhang zwischen der Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des AMS über die Einstellung der Leistung (§ 24 Abs 1 AlVG) und der Wiedermeldung des Leistungsbeziehers nach § 46 Abs 5 AlVG. Die Mitteilung nach § 24 Abs 1 AlVG knüpft daran an, dass ein Einstellungsgrund (Unterbrechungs- oder Ruhensgrund), hier die Aufnahme einer Beschäftigung, vorliegt. De Frist zur Wiedermeldung nach § 46 Abs 5 AlVG beginnt aber nicht mit dem Eintritt dieses Unterbrechungsgrundes, sondern mit dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes (Beendigung der Beschäftigung), sodass der Beginn der Frist zur Wiedermeldung - entgegen dem Vorschlag des Bf an den Gesetzgeber - auch nicht an die Mitteilung über die Einstellung des Leistungsbezuges wegen Aufnahme einer Beschäftigung anknüpfen kann.
Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis begründet:
Gem § 47 Abs 1 AlVG ist dann, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe anerkannt wird, dem Leistungsbezieher eine Mitteilung auszustellen, aus der insbesondere Beginn, Ende und Höhe des Leistungsanspruches hervorgehen. Wird der Anspruch nicht anerkannt, so ist nach Satz 2 leg cit darüber dem Antragsteller ein Bescheid auszufertigen.
Die Erleichterung des § 47 Abs 1 AlVG, Rechtswirkungen durch Zustellung einer bloßen Mitteilung auszulösen, ist somit auf die antragsgemäße Gewährung von Leistungen beschränkt. Daraus leitete der VwGH in stRsp (zu § 24 Abs 1 AlVG idF vor dessen Novellierung mit BGBl I Nr 71/2003) ab, dass die Einstellung oder Berichtung der Notstandshilfe gem § 24 Abs 1 AlVG ausschließlich mit Bescheid unter den dort genannten Voraussetzungen zu erfolgen habe. Solange ein solcher Bescheid über die Einstellung der Notstandshilfe nicht erlassen ist, konnten die Rechtswirkungen der Unterbrechung des Leistungsbezuges nicht eintreten. Wenn aber mangels Bescheides über die Einstellung in rechtlicher Hinsicht eine Einstellung des Bezuges und damit eine Unterbrechung nicht eingetreten ist, bedarf es zu einem Weiterbezug der Leistungen auch keiner neuerlichen Geltendmachung des Anspruches iSd § 46 Abs 5 bis 7 AlVG.
Mit BGBl I Nr 71/2003 wurde die Bestimmung des § 24 Abs 1 AlVG dahin abgeändert, dass die bezugsberechtigte Person (vorerst) von der amtswegigen Einstellung durch Mitteilung in Kenntnis zu setzen ist. Die bezugsberechtigte Person hat aber das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung der Mitteilung einen Bescheid über die Einstellung zu begehren. Wird in diesem Fall nicht binnen vier Wochen nach Einlangen des Begehrens ein Bescheid erlassen, so tritt die Einstellung rückwirkend außer Kraft und die vorenthaltene Leistung ist nachzuzahlen. Ein späterer Widerruf und eine spätere Rückforderung werden dadurch nicht ausgeschlossen.
Entsprechend den Erläuterungen dient die vorgeschlagene Änderung der Umsetzung des Anliegens der Volksanwaltschaft, den Rechtsschutz bei vorläufigen Leistungseinstellungen durch das AMW nach Bekanntwerden von Umständen, welche die Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe in Frage stellen, zu verbessern. Aus verwaltungsökonomischen Gründen sollte eine Bescheiderlassung auf Antrag der Betroffenen vorgesehen werden.
Damit kann nun zwar eine Einstellung der Leistung aus der Arbeitslosenversicherung auch durch bloße Mitteilung an die bezugsberechtigte Person erfolgen; dies führt dann, wenn binnen vier Wochen kein Bescheid über die Einstellung begehrt wird, zur Unterbrechung des Leistungsbezuges und dazu, dass die Leistung neuerlich nach Maßgabe der Bestimmungen des § 46 Abs 5 bis 7 AlVG geltend zu machen ist. Begehrt die bezugsberechtigte Person aber innerhalb von vier Wochen nach Zustellung der Mitteilung einen Bescheid über die Einstellung, so ist darüber - binnen vier Wochen - mit Bescheid abzusprechen, widrigenfalls die Einstellung rückwirkend außer Kraft tritt.
Im hier zu beurteilenden Fall wurde der Bf von der Bezugseinstellung mit Mitteilung vom 3. Dezember 2007 verständigt; am 7. Dezember 2007 - also jedenfalls innerhalb von vier Wochen - beantragte der Bf bei der regionalen Geschäftsstelle eine "bescheidförmliche Erledigung der Leistungserstellung".
Ein Bescheid über die Einstellung wurde aber in der Folge nicht erlassen. Mit dem angefochtenen Bescheid wird lediglich - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides - ausgesprochen, dass dem Bf Notstandshilfe (erst) ab dem 7. Dezember 2007 (wieder) zustehe. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides kann abgeleitet werden, dass damit (implizit) auch der Anspruch des Bf auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für den (hier alleine strittigen) Zeitraum vom 28. November bis 6. Dezember 2007 abgewiesen wurde.
Weder dem Spruch noch der Begründung des angefochtenen (oder des erstinstanzlichen) Bescheides kann aber entnommen werden, dass mit diesem Bescheid - allenfalls implizit - auch eine bescheidmäßige Erledigung iSd § 24 Abs 1 AlVG erfolgen sollte; diese Bestimmung wird auch - insoweit folgerichtig - im angefochtenen Bescheid weder im Spruch noch in der Begründung erwähnt.
Im Hinblick darauf, dass mit der Novelle BGBl I Nr 71/2003 das Verfahren betreffend die Einstellung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung formalisiert wurde und mit dieser Novellierung - ausweislich der Gesetzesmaterialien - der Rechtsschutz des Beziehers von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung verbessert werden sollte, kann die zur Rechtslage vor der Novelle BGBl I Nr 71/2003 ergangene Rsp, wonach ein Bescheid, mit welchem ausgesprochen werde, Notstandshilfe stehe ab einem bestimmten Zeitpunkt zu, implizit auch einen bescheidmäßigen Abspruch über die Einstellung beinhalte, für die Rechtslage nach der Novellierung BGBl I Nr 71/2003 nicht aufrecht erhalten werden.
Da sohin im hier zu beurteilenden Fall innerhalb der Frist von vier Wochen nach Einlangen des Begehrens ein Bescheid über die Einstellung des Leistungsbezuges nicht erlassen wurde, trat die Einstellung gem § 24 Abs 1 vierter Satz AlVG rückwirkend außer Kraft. Damit trat nicht nur keine Unterbrechung des Leistungsbezuges im Rechtssinne ein, die genannte Gesetzesstelle verpflichtet das AMS auch ausdrücklich zur Nachzahlung der (aufgrund der Mitteilung von der Einstellung allenfalls bereits faktisch) vorenthaltenen Leistung. Der fünfte Satz der zitierten Gesetzesstelle lässt lediglich in jenem Umfang, in dem die Leistung tatsächlich nicht gebührt hat, einen - nachträglichen und mit Bescheid zu verfügenden - Widerruf der Leistung und - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - in diesem Umfang auch ihre Rückforderung zu.
Kam es aber mangels wirksamer Einstellung in rechtlicher Hinsicht zu keiner Unterbrechung des Leistungsbezuges, dann war aber für den Weiterbezug der Leistung auch keine Geltendmachung iSd § 46 Abs 5 bis 7 AlVG erforderlich, wie sich aus folgenden Überlegungen ergibt:
Einer Mitteilung über die Zuerkennung einer Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung nach § 47 Abs 1 AlVG kommt zwar kein Bescheidcharakter zu, die Verweigerung der Auszahlung einer mit einer derartigen Mitteilung anerkannten Leistung - aus welchem Grund immer - kann aber nur auf Grund eines diesen Anspruch beseitigenden Bescheides erfolgen (es sei denn, es wird nach einer Mitteilung iSd § 24 Abs 1 AlVG nicht rechtzeitig ein Bescheid über die Einstellung begehrt). Dieser Schutz, welchen § 24 AlVG der Partei vor einem willkürlichen Widerruf gewährter Geldleistungen gewähren soll, ersetzt in jenen Fällen, in denen eine Leistung ohne Erlassung eines Bescheides im Wege einer Mitteilung antragsgemäß zuerkannt wurde, bis zu einem gewissen Grad die fehlende Rechtskraft, durchbricht aber auch diesen Schutz (und auch die Rechtskraft im Falle der bescheidmäßigen Zuerkennung) insoweit, als eine auch rückwirkende Korrektur der Leistungen unter den in § 24 AlVG genannten Voraussetzungen ohne Bindung an die strengen Voraussetzungen des § 69 AVG zulässig ist. Dem Bf stand also aufgrund des Fehlschlagens der Einstellung ab 27. November 2007 im darauffolgenden (und hier streitgegenständlichen) Zeitraum vom 28. November bis 6. Dezember 2007 aufgrund der seinerzeitigen Mitteilung über den Leistungsbezug Notstandshilfe (als Pensionsvorschuss) weiterhin zu.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde daher in diesen Leistungsanspruch des Bf durch - implizite - Abweisung des Anspruches für diesen Zeitraum eingegriffen, und zwar ausschließlich aus dem Grund einer verspäteten Wiedermeldung nach Bezugsunterbrechung.
Da aber nach dem Gesagten zuvor eine Einstellung des Anspruches rechtswirksam nicht ausgesprochen wurde und eine Bezugsunterbrechung mithin gar nicht eingetreten ist, erweist sich der mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Eingriff in den Leistungsanspruch des Bf im Zeitraum vom 28. November bis 6. Dezember 2007 als rechtswidrig.