VwGH: Genehmigung einer Betriebsanlage gem § 77 GewO
§ 77 Abs 2 GewO gibt für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Belästigungen die objektiv anzuwendenden Beurteilungsmaßstäbe eines "gesunden, normal empfindenden Kindes" und eines "gesunden, normal empfindenden Erwachsenen" vor, die als solche unabhängig von der Person des Nachbarn in ihrer Gesamtheit heranzuziehen sind
§ 77 GewO, § 74 GewO, § 52 AVG
GZ 2009/04/0292, 25.10.2011
VwGH: Gem § 77 Abs 1 GewO ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen iSd § 74 Abs 2 Z 1 leg cit vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen iSd § 74 Abs 2 Z 2 bis 5 leg cit auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Ob Belästigungen der Nachbarn iSd § 74 Abs 2 Z 2 zumutbar sind, ist gem § 77 Abs 2 GewO danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.
Die Feststellung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 77 GewO vorliegen, ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, aufgrund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartende Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt - fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend der in diesem Zusammenhang im § 77 Abs 2 GewO enthaltenen Tatbestandsmerkmale auszuüben vermögen.
Die Auswirkungen der zu genehmigenden Betriebsanlage bzw der zu genehmigenden Änderung einer genehmigten Betriebsanlage sind unter Zugrundelegung jener Situation zu beurteilen, in der die Immissionen für die Nachbarn am ungünstigsten, dh am belastendsten sind.
§ 77 Abs 2 GewO gibt für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Belästigungen die objektiv anzuwendenden Beurteilungsmaßstäbe eines "gesunden, normal empfindenden Kindes" und eines "gesunden, normal empfindenden Erwachsenen" vor, die als solche unabhängig von der Person des Nachbarn in ihrer Gesamtheit heranzuziehen sind.