29.11.2011 Verfahrensrecht

OGH: Zum Schiedsgutachterverfahren

Vor dem Abschluss oder dem endgültigen Scheitern eines Schiedsgutachterverfahrens tritt keine Fälligkeit des Leistungsanspruchs ein; die Leistungsbestimmung durch den Schiedsgutachter hat innerhalb eines bedungenen oder angemessenen Zeitraums zu erfolgen


Schlagworte: Schiedsgutachterverfahren, Abschluss, endgültiges Scheitern, Fälligkeit des Leistungsanspruchs, Leistungsbestimmung durch den Schiedsgutachter

GZ 2 Ob 209/10i, 10.11.2011

 

OGH: Vor dem Abschluss oder dem endgültigen Scheitern eines Schiedsgutachterverfahrens tritt keine Fälligkeit des Leistungsanspruchs ein. Die klagende Partei hat sich auf das Gutachterverfahren eingelassen und entsprechend dem vertraglich vorgesehenen Prozedere ebenso wie die beklagte Partei auf ihre Kosten einen Gutachter bestellt. Da die Gutachter zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangten, hatten sie gemeinsam einen dritten Gutachter (den „Obergutachter“) zu bestellen.

 

Die (von der klagenden Partei unterstellte, nicht festgestellte) Befangenheit des von der beklagten Partei nominierten Gutachters wurde vom Berufungsgericht nicht als ausreichend erachtet, um von einer Vereitelung des Gutachterverfahrens auszugehen. Diese auf die Auslegung der konkreten Schiedsgutachtensabrede gestützte Ansicht lässt keine Fehlbeurteilung erkennen, die eines korrigierenden Eingreifens durch den OGH bedarf. Kann doch das vertraglich vorgesehene Prozedere, wonach zunächst jede Partei „auf eigene Kosten“ einen Gutachter wählt, durchaus dahin verstanden werden, dass die Gutachter der „ersten Ebene“ nicht unabhängig sein müssen, weil sie - wie Privatgutachter - nur ihrem Auftraggeber verpflichtet sind und erst der „Obergutachter“ der eigentliche unabhängige Schiedsgutachter ist.

 

Die Leistungsbestimmung durch den Schiedsgutachter hat innerhalb eines bedungenen oder angemessenen Zeitraums zu erfolgen. Eine vor dessen Verstreichen eingebrachte Leistungsklage ist mangels Fälligkeit abzuweisen (1 Ob 211/99g mwN). In dieser Entscheidung wurde auch zum Ausdruck gebracht, dass zwischen redlichen und vernünftigen Vertragsparteien mangels vertraglicher Regelung ein Zeitraum von vier Wochen für die einvernehmliche Bestellung eines (Ersatz-)Schiedsgutachters als angemessen erachtet werde.

 

Wann ein Schiedsgutachterverfahren mit der Rechtsfolge des Eintritts der Fälligkeit als „endgültig gescheitert“ angesehen werden muss, unterliegt typischerweise der Beurteilung im Einzelfall.