29.11.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG (iZm Änderungskündigung)

Der OGH hat iZm Kündigungsanfechtungen wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 ArbVG bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass es keine starren Prozentsätze der durch die Arbeitgeberkündigung bedingten Einkommensminderung des betroffenen Arbeitnehmers gibt, bei denen das Vorliegen von Sozialwidrigkeit jedenfalls zu bejahen oder jedenfalls zu verneinen wäre


Schlagworte: Änderungskündigung, Anfechtung, Sozialwidrigkeit, Einkommensminderung, keine starren Prozentsätze
Gesetze:

§ 105 ArbVG

GZ 9 ObA 15/11p, 25.10.2011

 

OGH: Auch Änderungskündigungen unterliegen dem allgemeinen Kündigungsschutz nach § 105 ArbVG. Bei einer Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist zunächst zu prüfen, ob wesentliche Interessen des gekündigten - seit wenigstens sechs Monaten beschäftigten - Arbeitnehmers beeinträchtigt sind, ob also dem Arbeitnehmer durch die Kündigung erhebliche soziale Nachteile entstehen, die über die normale Interessenbeeinträchtigung bei einer Kündigung hinausgehen. Für eine Änderungskündigung ist in dieser Hinsicht entscheidend, ob dem Arbeitnehmer die Annahme des Angebots des Arbeitgebers zur Änderung der Arbeitsbedingungen zumutbar ist. Die Zumutbarkeit der Annahme des Angebots des Arbeitgebers wurde auch im vorliegenden Verfahren von den Vorinstanzen bejaht und daraus resultierend die Sozialwidrigkeit der Kündigung der Klägerin verneint. Diese Beurteilung kann jeweils nur anhand der Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden.

 

Der OGH hat iZm Kündigungsanfechtungen wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 ArbVG bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass es keine starren Prozentsätze der durch die Arbeitgeberkündigung bedingten Einkommensminderung des betroffenen Arbeitnehmers gibt, bei denen das Vorliegen von Sozialwidrigkeit jedenfalls zu bejahen oder jedenfalls zu verneinen wäre. Der Wunsch der Revisionswerberin nach „Rechtssicherheit“ möglichst schon bei der Entscheidung über das Änderungsangebot des Arbeitgebers ist natürlich verständlich. Die Auffassung, mehr Rechtssicherheit könnte durch starre Prozentsätze bezüglich der Einkommensminderung erreicht werden, ist jedoch verfehlt. § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG stellt nämlich nicht auf eine bestimmte - absolute oder relative - Einkommenseinbuße ab, sondern baut auf der Verletzung „wesentlicher Interessen“ des Arbeitnehmers auf. Richtig zitiert daher die Revisionswerberin die stRsp, wonach in die Untersuchung, ob wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt sind, die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeitnehmers einzubeziehen ist.

 

Die Klägerin zählt sich selbst zur Gruppe der „durchschnittlichen Besserverdiener“. Den Begriff leitet sie offenbar davon ab, dass sie vom Beklagten über dem auf ihre Tätigkeit anwendbaren Mindestlohntarif entlohnt wurde (arg „Besserverdiener“), ohne aber zu den Beziehern „sehr hoher Einkommen“ zu gehören (arg „durchschnittlich“). Besondere Gründe, die Angehörigen der von der Revision angesprochenen Gruppe von Arbeitnehmern bei der Kündigungsanfechtung anders als andere Arbeitnehmer zu behandeln, sind nicht erkennbar. Selbstverständlich gilt auch für „durchschnittliche Besserverdiener“ iSd Verständnisses der Revisionswerberin, dass die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeitnehmers einzubeziehen ist. Dazu gehören aber ohnehin auch jene Umstände, die die Revisionswerberin für „durchschnittliche Besserverdiener“ in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht als kennzeichnend ansieht.