OGH: Unklagbarkeit nach § 1271 ABGB – zum Anwendungsbereich des § 1271 ABGB (hier: iZm „Traumhaus“-Gewinnspiel)
§ 1271 ABGB zielt auf jene Gattung von Glücksverträgen ab, bei denen der Spieltrieb „den gesunden Menschenverstand vernebelt“; wer demnach „vernünftige“ wirtschaftliche Absichten verfolgt, handelt mutmaßlich nüchternen Sinns und geht daher kein größeres Risiko ein als bei Abschluss anderer Verträge; § 1271 ABGB passt in derartigen Fällen nicht; diese Bestimmung ist auf Glücksverträge im engeren Sinn zugeschnitten, die geeignet sind, „schädliche Leidenschaften“ zu wecken
§§ 1267 ff ABGB, § 1271 ABGB, § 860 ABGB
GZ 9 Ob 89/10v, 25.10.2011
Die Beklagte schloss als Herausgeberin der Zeitung ***** am 17. 9. 2007 mit A***** P*****, C***** Projektentwicklung, eine Kooperationsvereinbarung, in der die Beklagte Werbeleistungen im Wert von 420.000 EUR exklusive USt zusagte, während sich ihr Vertragspartner verpflichtete, ein C***** Haus (Modell K*****) im Wert von 235.000 EUR exklusive USt samt Bild-, Logo- und Textmaterial für die Integration in die Marketing-Gewinnspielseiten der Beklagten zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin ging bei dem in der Folge von der Beklagten veranstalteten „Traumhaus“-Gewinnspiel als Gewinnerin hervor.
OGH: Ob das für die Abgrenzung von Spiel und Wette von anderen Rechtsgeschäften typische aleatorische Element überwiegt, hängt von den nicht revisiblen Umständen des Einzelfalls ab. Wie im „Ö3-Mehrscheinchenspiel“ (2 Ob 251/06h) ging das Berufungsgericht auch beim vorliegenden „Gewinnspiel“ mit vertretbarer Begründung davon aus, dass das aleatorische Element nicht überwogen habe. Dass die Beklagte ihre Zusage erfüllen muss, war von vornherein klar. Unbestimmt war lediglich, an wen dies zu geschehen hat. Das Einsenden von Teilnahmekarten war im hohen Maße möglich und von der Beklagten gewollt. Nachdem die Klägerin aufgrund täglicher Ziehungen aus den eingesendeten Teilnahmekarten von der Beklagten einen „Hausschlüssel“ erhalten hatte, suchte sie über Einladung der Beklagten zusammen mit 43 weiteren Gewinnern von „Hausschlüsseln“ die Schlussveranstaltung auf. Bei dieser wurde schließlich der Schlüsselcode der Klägerin gezogen, worauf sie als Gewinnerin festgestellt wurde. Der Umstand, dass es vom Zufall abhing, wessen Schlüsselcode gezogen wird, macht das vorliegende „Gewinnspiel“ nicht zu einem Glücksvertrag mit der Rechtsfolge der Unklagbarkeit nach § 1271 ABGB. Aus den „Wertungen des Glücksspielgesetzes“, das Nummernlotterien (§ 32 GSpG) und Tombolaspiele (§ 33 GSpG) als „Glücksspiele“ qualifiziere, ist entgegen der Auffassung der Beklagten für die Frage der Klagbarkeit nach § 1271 ABGB nichts Wesentliches zu gewinnen. Das Glücksspielgesetz (GSpG) ist va von ordnungs- und finanzpolitischen Zielen geprägt. Überzeugend grenzt Grassl-Palten den Geltungsbereich des § 1271 ABGB nach seinem telos ab. Sie weist nach, dass § 1271 ABGB auf jene Gattung von Glücksverträgen abzielt, bei denen der Spieltrieb „den gesunden Menschenverstand vernebelt“. Wer demnach „vernünftige“ wirtschaftliche Absichten verfolgt, handelt mutmaßlich nüchternen Sinns und geht daher kein größeres Risiko ein als bei Abschluss anderer Verträge; § 1271 ABGB passt in derartigen Fällen nicht. Diese Bestimmung ist auf Glücksverträge im engeren Sinn zugeschnitten, die geeignet sind, „schädliche Leidenschaften“ zu wecken.
Diese Gefahr besteht hier sichtlich nicht. Zutreffend ging daher das Berufungsgericht vom Vorliegen einer Auslobung der Beklagten iSd § 860 ABGB aus, die kein unklagbares Spiel nach § 1271 ABGB zum Gegenstand hatte. Die nach Erbringung der geforderten Leistungen durch Los ausgewählte Klägerin hatte daher nach der Schlussveranstaltung einen klagbaren Anspruch auf die von der Beklagten ausgelobte „Belohnung“, nämlich eine „neue Villa *****“ im Wert von 235.000 EUR. Richtig weist die Beklagte darauf hin, dass die Auslobung gem § 860a ABGB im Rahmen des „Auslobungsprozesses“ bis zur Vollendung der Leistung widerrufen werden kann. Mit „Leistung“ ist allerdings nicht die Belohnung des Auslobenden, sondern der Beitrag des Teilnehmers gemeint (siehe § 860 ABGB). Der Versuch der Beklagten, nach dem Erscheinen der Klägerin bei der Schlussveranstaltung, der letzten „Leistung“ der Klägerin im Rahmen des „Auslobungsprozesses“, den ursprünglichen Inhalt der Auslobung insbesondere durch Einführung einer Befristung zu modifizieren, ist daher zum Scheitern verurteilt. Überflüssig sind auch die Überlegungen der Klägerin zu § 5j KSchG. Wesentlich für die Anwendung dieser Bestimmung ist, dass der Unternehmer durch die Gestaltung seiner Zusendung den Eindruck eines Gewinns hervorgerufen hat. Es geht hier weder um die „Zusendung“ einer Gewinnzusage, noch um den bloßen „Eindruck“ eines Gewinns.