01.11.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Beschlussanfechtung gem § 41 GmbHG (hier: eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beschlossene Kapitalerhöhung) iZm Insolvenzverfahren

Die (beklagte) Gesellschaft wird in einem Anfechtungsprozess durch den Insolvenzverwalter vertreten, wenn über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der angefochtene Generalversammlungsbeschluss die Insolvenzmasse betrifft (berührt); Beschlüsse, mit denen Kapitalherabsetzungen oder -erhöhungen abgelehnt wurden, berühren nicht die Insolvenzmasse, während im Fall einer beschlossenen Kapitalerhöhung Vermögenspositionen der Gesellschaft betroffen sind


Schlagworte: Gesellschaftsrecht, Beschluss, Anfechtung, Insolvenz, Masseerheblichkeit, (nicht) beschlossene Kapitalherabsetzungen / Kapitalerhöhungen
Gesetze:

§ 41 GmbHG

GZ 6 Ob 197/11f, 14.09.2011

 

Der Kläger, Minderheitsgesellschafter der beklagten Gesellschaft, beantragte in einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten durchgeführten Generalversammlung die Fassung eines Beschlusses über eine Kapitalerhöhung von 36.336,42 EUR auf 436.336,42 EUR, wobei der Kläger unter Ausschluss des Bezugsrechts der Mehrheitsgesellschafterin allein zugelassen werde. Die Generalversammlung lehnte eine derartige Beschlussfassung mit der Stimme der Mehrheitsgesellschafterin ab, der Kläger erhob Widerspruch.

 

Der Kläger begehrt die Nichtigerklärung des gefassten Beschlusses, die Feststellung, dass sein Antrag angenommen worden sei, und die Verpflichtung der Beklagten, die Übernahmeerklärung des Klägers betreffend die volle Kapitalerhöhung anzunehmen. Die ablehnende Stimmabgabe der Mehrheitsgesellschafterin sei treuwidrig erfolgt; diese habe die Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen der Beklagten angestrebt.

 

OGH: Nach sowohl in Österreich als auch in Deutschland hA wird die (beklagte) Gesellschaft in einem Anfechtungsprozess durch den Insolvenzverwalter vertreten, wenn über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der angefochtene Generalversammlungsbeschluss die Insolvenzmasse betrifft (berührt); ist dies nicht der Fall, fehlt also die Masseerheblichkeit, bleiben die Geschäftsführer zur Vertretung berufen. Masseerheblichkeit ist dabei zwar dann anzunehmen, wenn der anzufechtende Beschluss Vermögenspositionen der Gesellschaft zum Gegenstand hatte, nicht jedoch, wenn er sich auf die persönlichen Beziehungen der Gesellschafter untereinander bezog. Ob Masseerheblichkeit gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

Gegenstand des hier angefochtenen Generalversammlungsbeschlusses ist eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beschlossene Kapitalerhöhung; geltend gemacht wird treuwidrige Stimmabgabe. Die Auffassung des Rekursgerichts, die Anfechtung des Beschlusses bedeute lediglich seine (allfällige) Beseitigung ex tunc und habe daher keine vermögensrechtlichen Auswirkungen auf die Insolvenzmasse, entspricht jener des deutschen Reichsgerichts (RGZ 76, 244 [„Beschlüsse über Herabsetzung und Erhöhung des Grundkapitals berühren die Verwaltung der Konkursmasse nicht“]). Nach Auffassung des erkennenden Senats gilt dies allerdings nur für Beschlüsse, mit denen Kapitalherabsetzungen oder -erhöhungen abgelehnt wurden, während im Fall einer beschlossenen Kapitalerhöhung Vermögenspositionen der Gesellschaft betroffen wären.

 

Während die österreichische Literatur die Frage, ob mit Anfechtungsklagen, die sich auf treuwidrige Stimmabgabe stützen, überhaupt Beschlussfeststellungsklagen verbunden werden können, verneint, weil die treuwidrige Stimmabgabe nicht nichtig sei, sondern lediglich den Beschluss anfechtbar mache, bejaht die deutsche Literatur diese Frage; auch  Gellis/Feil und U. Torggler gehen von Nichtigkeit der Stimmabgabe aus, was jedoch - selbst nach Auffassung von Koppensteiner/Rüffler - dazu führen würde, dass die Anfechtungsklage - bei Kausalität des Fehlers für das Beschlussergebnis - auch in diesem Fall mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage verbunden werden könnte.

 

Auf diese Frage braucht hier jedoch nicht näher eingegangen zu werden, weil bei Feststellung des vom Kläger gewünschten Beschlusses ex tunc, also für einen Zeitpunkt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ein vermögensrechtlicher Anspruch der Gesellschaft auf Leistung von 400.000 EUR durch den Kläger entstehen würde; über dieses Stammkapital wäre jedoch der Insolvenzverwalter verfügungsberechtigt. Dass damit die Vermögenspositionen der Gesellschaft betroffen wären, steht außer Zweifel. Dies gilt auch für die begehrte Verpflichtung der Beklagten, die Übernahmeerklärung des Klägers betreffend die volle Kapitalerhöhung anzunehmen.

 

Der Kläger meint, der Insolvenzverwalter der Beklagten habe auf die Geltendmachung der Anfechtungsansprüche verzichtet, womit dieses Recht auf den Kläger als Gesellschafter übergegangen sei.

 

Tatsächlich ist nach der Rsp des OGH, die von der Literatur gebilligt wird, auch der Insolvenzverwalter in der Insolvenz über das Vermögen der Gesellschaft zur Klage nach § 41 GmbHG legitimiert. Allerdings ist dem Akteninhalt einerseits nicht entnehmbar, dass das Insolvenzgericht irgendwelche Ansprüche der Beklagten ausgeschieden hätte; andererseits bedeutet Massefreiheit, dass der Schuldner (die beklagte Gesellschaft) darüber verfügen und auch prozessieren könnte, nicht aber der Kläger als Gesellschafter.