OGH: Wichtiges Interesse iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 iZm Errichtung einer Dachterrasse
Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 kommt es besonders darauf an, ob die beabsichtigte Änderung dazu dient, dem Wohnungseigentümer eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seines Objekts zu ermöglichen; diese Beurteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind; dabei ist dem Rechtsanwender ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt
§ 16 WEG 2002
GZ 5 Ob 98/11i, 25.08.2011
Die Antragstellerin begehrt die Genehmigung einer über ihrer Wohnung durchgeführten Öffnung des Daches zum Zweck der Errichtung einer Dachterrasse im Ausmaß von 9,15 m².
OGH: Zum „wichtigen Interesse“ des Wohnungseigentümers an einer Änderung seines Objekts iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 (§ 13 Abs 2 Z 2 WEG 1975) liegt bereits eine umfangreiche Judikatur des erkennenden Senats vor, in der auch schon zu Dachterrassen Stellung genommen wurde und nach der insbesondere bloße Zweckmäßigkeitserwägungen und eine Steigerung des Wohn- und Verkehrswerts der Wohnung für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht genügen.
Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 kommt es besonders darauf an, ob die beabsichtigte Änderung dazu dient, dem Wohnungseigentümer eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seines Objekts zu ermöglichen. Diese Beurteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind; dabei ist dem Rechtsanwender ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt. Solange dieser Ermessensspielraum nicht verlassen wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor.
Die Antragstellerin hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig, ob es ein wichtiges Interesse begründe, wenn zusätzliche Belichtungsflächen in Wohnräumen deshalb hergestellt werden, weil die zur Zeit ihrer Errichtung vorgesehenen Belichtungsflächen geringer dimensioniert waren, als dies die Baubehörde gem § 11 Oö BauTV bei Neuerrichtung fordern würde, damit beim Bewohner keine depressive Stimmung bzw keine Gesundheitsschädigung entstehe. Dazu hat bereits das Rekursgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass § 11 Oö BauTV, der für die Gesamtfläche der Belichtungsöffnungen von Wohnräumen und natürlich belichteten Aufenthaltsräumen mindestens 10 %, bei einer Raumtiefe von mehr als 5 m mindestens 12 % der Fußbodenfläche verlangt, erst am 1. 1. 1995 in Kraft getreten ist (§ 65 leg cit) und - wie die Antragstellerin selbst einräumt - für die Neuerrichtung von Wohnräumen seither gilt. Bei dieser Sachlage kann angesichts des vorhandenen Wohnungsaltbestandes weder angenommen werden, dass inzwischen derartige Anforderungen an die Belichtungsverhältnisse generell den heute üblichen Standard darstellen, noch dass ein Unterschreiten dieser Anforderungen zwangsläufig zu einer depressiven Stimmung bzw Gesundheitsschädigung des Bewohners führe.
Weiters ist nach Meinung der Antragstellerin die Frage zu beantworten, ob es ein wichtiges Interesse begründe, wenn Dachflächenfenster durch horizontale Fensterflächen, wie bei einer Dachterrasse, ersetzt werden, damit auch während des Winters bei Schneelage für Belichtung gesorgt sei, um eine depressive Stimmung bzw Gesundheitsschädigung des Bewohners zu verhindern. Derartige allgemeine Überlegungen sind allerdings nicht geeignet, ein - konkretes - wichtiges Interesse gerade der Antragstellerin zu erweisen. Es fehlen nämlich jegliche konkrete Behauptungen, Beweisergebnisse und Feststellungen dazu, dass gerade das Wohnungseigentumsobjekt der Antragstellerin von winterlich schlechten Belichtungsverhältnissen so stark betroffen wäre, dass die Antragstellerin dadurch beachtliche physische oder psychische Beeinträchtigungen erleide oder das Wohnungseigentumsobjekt deshalb nicht in heute üblicher Weise benützbar wäre.
Schließlich behauptet die Antragstellerin die Verkehrsüblichkeit ihres Änderungswunsches, weil eine Dachterrasse im sozialen Wohnbau üblich sei und im Haus bereits bei drei Wohnungen Dachterrassen errichtet worden seien. Für die Verkehrsüblichkeit der betreffenden Maßnahme kommt es aber nicht auf eine ganz allgemeine, generalisierende Betrachtung einer vom Standort abstrahierenden Baupraxis an. Maßgeblich ist vielmehr die konkrete Änderung unter Berücksichtigung einerseits der bestimmten Beschaffenheit des betreffenden Hauses und andererseits seines Umfelds. Wenn das Rekursgericht - inhaltlich diesen Kriterien folgend - die Verkehrsüblichkeit der von der Antragstellerin gewünschten Dachterrasse, nicht allein schon deshalb bejahte, weil an der gesamten Anlage bereits drei Dachterrassen bestehen, dann ist auch darin kein aufzugreifendes Überschreiten des bei dieser Beurteilung einzuräumenden Ermessensspielraums zu erkennen.