18.10.2011 Strafrecht

OGH: Online-Ticketbestellungen unter Benützung falscher oder verfälschter Daten (Verwendung verschiedener Aliasdatensätze, falscher Adressen und fremder Kontonummern)

Ausführungen zur Abgrenzung zwischen den Tatbeständen Betrug (§ 146 StGB), betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch (§ 148a StGB) und Erschleichung einer Leistung (§ 149 StGB)


Schlagworte: Betrug, betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch, Erschleichung einer Leistung, Online-Ticketbestellungen, Benützung falscher / verfälschter Daten
Gesetze:

§ 146 StGB, § 148a StGB, § 149 StGB

GZ 13 Os 61/11m, 14.07.2011

 

OGH: Der Tatbestand des Betrugs (§ 146 StGB) setzt zunächst eine Täuschungshandlung, also ein Täterverhalten voraus, das in der Abgabe einer unwahren Erklärung gegenüber einem anderen besteht. Dieses Täuschungsverhalten muss bei dem anderen (abgesehen vom hier nicht interessierenden Fall des § 2 StGB) einen Irrtum hervorrufen oder einen schon bestehenden Irrtum bestärken. Im dargelegten Sinn getäuscht können nur natürliche Personen werden, womit Einwirkungen auf Geräte oder technische Vorrichtungen nicht geeignet sind, den Tatbestand des Betrugs zu verwirklichen. Der täuschungsbedingte Irrtum hat sodann zumindest mitursächlich dafür zu sein, dass der Getäuschte eine Vermögensverfügung vornimmt, die schließlich zu einem Vermögensschaden führen muss.

 

Indem die bekämpfte Entscheidung nicht erkennen lässt, wer durch welche Erklärungen der Angeklagten zu welchem Verhalten verleitet worden ist und wodurch letztlich der konstatierte Vermögensschaden entstanden ist, schafft sie keine taugliche Subsumtionsbasis für einen Schuldspruch wegen des (Grund-)Tatbestands des Betrugs.

 

Gewerbsmäßiger schwerer Betrug (§ 148 zweiter Fall StGB) verlangt die Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung von jeweils schon für sich gesehen schwerem Betrug (§ 147 StGB) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

 

Die Feststellung, die Angeklagte habe in der Absicht gehandelt, sich durch die wiederkehrende Begehung „von Betrügereien“ eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, drückt diese qualifizierte Intention nicht aus.

 

Im zweiten Rechtsgang wird zunächst zu klären sein, ob bereits durch die (mittels EDV vorgenommene) Zustellung der Online Tickets ein Vermögensschaden eingetreten ist. Dies wird nur dann zu bejahen sein, wenn die Tickets selbständige Wertträger sind. Zu verneinen wäre die Wertträgereigenschaft (und damit der Eintritt eines Vermögensschadens durch die Ticketausgabe), wenn die Online Tickets nicht übertragbar wären. In diese Richtung weist Punkt 4.5 der Anlage 2 der - seit 3. Dezember 2009 in Geltung stehenden - „Tarifbestimmungen Online Tickets“ der ÖBB, wonach das Online Ticket „als persönliche Fahrkarte ausgestellt“ wird, „nicht übertragbar“ ist und „nur in Verbindung mit einem amtlichen Lichtbildausweis oder einer ÖBB-VORTEILScard mit Lichtbild“ gilt. Zudem findet sich auf nach dem 3. Dezember 2009 ausgestellten Online Tickets der Vermerk „dieses Ticket ist nicht übertragbar“. Wenngleich vor dem 3. Dezember 2009 ausgestellte Online Tickets einen solchen Vermerk nicht tragen, spricht der auf diese Tickets gedruckte Hinweis, „ihr Internet-Ausdruck gilt nur in Verbindung mit einem Lichtbildausweis als Fahrausweis“, ebenfalls für fehlende Übertragbarkeit. Zur verlässlichen Abklärung der Frage der Übertragbarkeit der Online Tickets werden hinsichtlich des gesamten Tatzeitraums die jeweils gültigen Tarifbestimmungen der ÖBB beizuschaffen sein.

 

Soweit das Gericht - allenfalls auch nur für einen Teil des Tatzeitraums - die Wertträgereigenschaft der Online Tickets feststellt (wofür die angeführten - über die ÖBB-Homepage abrufbaren - Informationen nicht sprechen), werden - in Bezug auf die Ticket-Bestellung - Konstatierungen zur Abgrenzung zwischen den Tatbeständen des Betrugs (§ 146 StGB) und des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs (§ 148a StGB) zu treffen sein:

 

Wie bereits dargelegt, verlangt § 146 StGB die Täuschung einer natürlichen Person. Auch die Einwirkung auf (edv-)technische Geräte ist somit nur dann dem Tatbestand des Betrugs zu unterstellen, wenn eine natürliche Person durch diese Einwirkung getäuscht wird und aufgrund dieser Täuschung die schädigende Verfügung trifft.

 

Demgegenüber liegt betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch (§ 148a StGB) vor, wenn der Vermögensschaden als unmittelbare Folge der (durch die Einwirkung auf ein edv-technisches Gerät bewirkten) Beeinflussung des Ergebnisses einer automationsunterstützten Datenverarbeitung eintritt. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine natürliche Person den - selbsttätig zum Schadenseintritt führenden - automationsunterstützten Geschehensablauf kontrolliert, in diesen aber (wenn auch aufgrund der Einwirkung) nicht eingreift.

 

Geht man davon aus, dass die Online Tickets Wertträger sind, der Vermögensschaden also bereits durch deren (im EDV-Weg erfolgte) Zustellung eingetreten ist, kommt eine Bestrafung wegen der darauffolgenden Inanspruchnahme der Beförderungsleistung mangels eines dadurch bewirkten (zusätzlichen) Vermögensschadens nicht in Betracht. Die insoweit potenziell relevanten Tatbestände des § 146 StGB und des § 149 StGB verlangen nämlich eine schädigende Vermögensverfügung des Getäuschten.

 

Wird die Wertträgereigenschaft der Online Tickets verneint (wofür die dargelegten, aus der ÖBB-Homepage ersichtlichen Informationen sprechen), ist - Anklage auf den Gebrauch des Fahrscheins vorausgesetzt - zu prüfen, ob durch die Inanspruchnahme der Beförderungsleistung der (Grund-)Tatbestand des Betrugs (§ 146 StGB) oder jener der Erschleichung einer Leistung (§ 149 Abs 1 erster Fall StGB) erfüllt worden ist.

 

In beiden Fällen müsste - wie zu § 146 StGB bereits ausgeführt - eine natürliche Person (zB ein Zugbegleiter) getäuscht und dadurch zum Gewähren der Beförderung verleitet worden sein.

 

Zur Abgrenzung zwischen diesen Tatbeständen wäre die Höhe des Entgelts für die einzelnen Beförderungsleistungen festzustellen. Bis zu einem Betrag von etwa 100 Euro wäre dieses als „gering“ anzusehen, wobei opferbezogene Faktoren hier mit Blick auf das Opfer (ÖBB-Personenverkehr AG) nicht zu einer Reduktion führen würden. Fahrten für ein solcherart „geringes“ Entgelt wären dem Tatbestand des § 149 Abs 1 erster Fall StGB zu unterstellen, wobei keine Zusammenrechnung mit Beträgen aus allfälligen Betrugs- oder anderen Erschleichungsfakten stattfände, weil § 29 StGB nur strafbare Handlungen mit ziffernmäßig bestimmten Wert- oder Schadensgrenzen betrifft.

 

Nur in Bezug auf Beförderungsleistungen, für die ein „nicht geringes“ Entgelt zu entrichten gewesen wäre, käme die Subsumtion nach § 146 StGB in Betracht. Bei diesbezüglicher Faktenmehrheit wäre zusammenzurechnen (§ 29 StGB), darüber hinaus wäre das Vorliegen der Voraussetzungen der Qualifikationstatbestände des § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB, des § 147 Abs 2 StGB und des § 148 StGB zu prüfen.