27.09.2011 Verfahrensrecht

OGH: Unlauterer Wettbewerb und den freien Wettbewerb einschränkendes Verhalten gem Art 6 Rom II-VO (hier: iZm Domain-Grabbing)

Ausführungen zur Anwendbarkeit von Abs 1 und 2


Schlagworte: Internationales Verfahrensrecht, Wettbewerbsrecht, unlauterer Wettbewerb und den freien Wettbewerb einschränkendes Verhalten, Domain-Grabbing
Gesetze:

Art 6 Rom II-VO, Art 4 Rom II-VO

GZ 17 Ob 6/11y, 09.08.2011

 

Die Klägerin behauptet, dass die Beklagten sie durch die Registrierung der strittigen Domains gezielt behindern (Domain-Grabbing) und durch deren Verwendung das Publikum in die Irre führen. Damit macht sie lauterkeitsrechtliche Ansprüche iSv Art 6 Rom II-VO geltend.

 

OGH: Nach Art 6 Abs 1 Rom II-VO ist auf solche Ansprüche das Marktortrecht anzuwenden, was bei Handlungen, die sich auf dem Markt mehrerer Staaten auswirken, zu einer Beurteilung nach mehreren Rechten führen kann („Mosaikbetrachtung“). Faktisch setzt sich in einem solchen Fall bei unteilbaren Wettbewerbsverstößen das strengste Recht durch. Eine Ausweichklausel, die eine einheitliche Beurteilung ermöglichte, ist hier abweichend von Art 4 Abs 2 und 3 Rom II-VO nicht vorgesehen.

 

Anderes gilt dann, wenn die Wettbewerbshandlung „ausschließlich“ die Interessen eines bestimmten Mitbewerbers beeinträchtigt. Für diesen Fall verweist Art 6 Abs 2 Rom II-VO auf Art 4 Rom II-VO. Damit sind jedenfalls die dort vorgesehenen Ausweichklauseln (Abs 2 und 3) anwendbar. Nicht ganz klar ist demgegenüber, ob die Regelanknüpfung am Erfolgsort (Art  6 Abs 2 iVm Art 4 Abs 1 Rom II-VO) im Ergebnis ohnehin dem Marktortprinzip iSv Art 6 Abs 1 Rom II-VO entspricht oder aber auf die (Haupt-)Niederlassung des beeinträchtigten Mitbewerbers verweist. Für ersteres spricht EG 21 Rom II-VO, wonach Art 6 Abs 1 Rom II-VO keine Ausnahme von der allgemeinen Erfolgsortregel bildet, sondern diese lediglich präzisiert; das legt es nahe, den Erfolgsort iSv Art 6 Abs 2 iVm Art 4 Abs 1 Rom II-VO iSd Art 6 Abs 1 Rom II-VO zu verstehen. In diesem Fall hätte es allerdings ausgereicht, in Art 6 Abs 2 Rom II-VO nur auf Art 4 Abs 2 und 3 Rom II-VO zu verweisen oder entsprechende Ausweichklauseln vorzusehen. Auch aufgrund dieser systematischen Erwägungen folgt daher die Mehrheit des Schrifttums, soweit das Problem gesehen wird, der zweitgenannten Auffassung. Damit übereinstimmend hat der Senat den Sitz des behinderten Mitbewerbers als Erfolgsort iSv Art 5 Nr 3 EuGVVO gewertet.

 

Der auf Irreführung der Marktgegenseite gestützte Anspruch fällt jedenfalls unter Art 6 Abs 1 Rom II-VO. Er ist daher nach dem Recht jenes Staats zu beurteilen, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Verbraucherinteressen beeinträchtigt werden. Wie beim Eingriff in ein Immaterialgüterrecht müsste der Kläger zumindest im Sicherungsverfahren auch hier deutlich zum Ausdruck bringen, dass er eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht nur für das Inland, sondern auch für andere Staaten geltend macht; dies jedenfalls dann, wenn aus dem von ihm vorgebrachten Sachverhalt abgeleitet werden kann, dass er eine Auswirkung des Verhaltens (zumindest auch) auf dem inländischen Markt behauptet. Trifft das zu, ist im Zweifel eine diesbezügliche Beschränkung des Begehrens anzunehmen.

 

Ein solcher Fall liegt hier vor. Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich nicht mit der nötigen Deutlichkeit entnehmen, weswegen die Verwendung der strittigen Domains auch die Wettbewerbsbeziehungen oder die Interessen der Marktgegenseite auf anderen Märkten beeinträchtigen soll. Insbesondere fehlt eine substantiierte Behauptung, dass die Beklagten ihre Geschäftstätigkeit auch nach Deutschland ausrichten. Damit ist im Sicherungsverfahren ausschließlich zu prüfen, ob das beanstandete Verhalten zur Irreführung der österreichischen Marktgegenseite geeignet ist; diese Frage unterliegt nach Art 6 Abs 1 Rom II-VO österreichischem Recht.

 

Der lauterkeitsrechtliche Anspruch der Klägerin könnte in diesem Zusammenhang allenfalls auf § 2 Abs 3 Z 1 UWG (Imitationsmarketing) gestützt werden. Dies setzte aber voraus, dass die Klägerin ihre Firma in Österreich nicht nur tatsächlich benutzt, sondern dadurch auch eine gewisse Verkehrsbekanntheit erlangt hätte. Denn sonst wäre - wie bei einer bloß registrierten, aber nicht verwendeten Marke - die Möglichkeit einer konkreten Irreführung der angesprochenen Kreise ausgeschlossen. Damit ist für den lauterkeitsrechtlichen Anspruch mehr erforderlich als für den kennzeichenrechtlichen, bei dem bereits die Aufnahme der Benutzung der Firma im Inland genügt. Eine weitere Erörterung dieser Anspruchsgrundlage ist daher nicht erforderlich. Aus demselben Grund bedarf auch das Herkunftslandprinzip der RL über den elektronischen Geschäftsverkehr keiner näheren Prüfung.

 

Die gezielte Behinderung durch bloße Registrierung einer Domain (Domain-Grabbing) beeinträchtigt ausschließlich die Interessen des behinderten Mitbewerbers und fällt daher unter Art 6 Abs 2 Rom II-VO. Dies führte nach Art 4 Abs 1 Rom II-VO zur Anwendung des Erfolgsortrechts, wobei es nicht ausgeschlossen ist, den Erfolgsort hier an der Hauptniederlassung des behinderten Unternehmens zu lokalisieren. Im Anlassfall führte das zur Anwendung deutschen Rechts. Denkbar wäre aber auch die Auffassung, dass wegen der nach dem Klagevorbringen irreführenden Nutzung der Domains kein ausschließlich (Art 6 Abs 2 Rom II-VO) die Interessen eines bestimmten Mitbewerbers beeinträchtigendes Verhalten vorliege. Dies führte zur Anwendung der Marktortregel von Art 6 Abs 1 Rom II-VO und damit zu einem Verweis (zumindest auch) auf österreichisches Recht.

 

Diese Frage kann hier aber offen bleiben, da sowohl österreichisches als auch deutsches Recht beim Domain-Grabbing zum selben Ergebnis führen. Aus demselben Grund erübrigt sich auch eine nähere Prüfung des Herkunftslandprinzips der RL über den elektronischen Geschäftsverkehr.