OGH: Gerichtserlag iSd § 1425 ABGB
Die Unklarheit oder Strittigkeit der Sach- und/oder Rechtslage zwischen einem Schuldner und seinem Gläubiger gibt als solche noch kein Recht zur Hinterlegung; soweit die Rsp „Unzufriedenheit“ des Gläubigers als Erlagsgrund anerkennt, so sind damit Fälle gemeint, in denen der Gläubiger die Leistung nicht als dasjenige annehmen will, als das sie ihm vom Schuldner angeboten wird
§ 1425 ABGB
GZ 6 Ob 87/11d, 16.06.2011
OGH: Ein Schuldner kann mit schuldbefreiender Wirkung aus den im § 1425 ABGB genannten Gründen und unter den aus dieser Gesetzesstelle ableitbaren Voraussetzungen seine Schuld gerichtlich hinterlegen. Der Erleger hat den Hinterlegungsgrund zu nennen und den Erlagsgegner namentlich zu bezeichnen. Das Hinterlegungsgericht hat zu prüfen, ob im Erlagsantrag der Erleger und der Gläubiger, für den erlegt wird, sowie der Erlagsgegenstand und der Erlagszweck bezeichnet sind. Was den Erlagsgrund anlangt, hat das Erlagsgericht nur zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung iSd § 1425 ABGB an sich taugt. Nicht hingegen ist zu prüfen, ob der angeführte Hinterlegungsgrund tatsächlich gegeben ist.
Nach stRsp bildet auch die Unklarheit der Rechtslage einen rechtlichen Grund zum Gerichtserlag iSd § 1425 ABGB. Besteht die unklare Sach- und Rechtslage nur zwischen einem Schuldner und einem Gläubiger, so ist der Schuldner zur gerichtlichen Hinterlegung des Geschuldeten nicht berechtigt, weil dadurch die Streitaustragung nicht vermieden wird und keine Tilgung herbeigeführt werden kann. Die Unklarheit oder Strittigkeit der Sach- und/oder Rechtslage zwischen einem Schuldner und seinem Gläubiger gibt als solche noch kein Recht zur Hinterlegung.
Bestreitet daher der Schuldner einen Anspruch des Erlagsgegners und will er diesem deshalb nicht leisten, dann liegt kein Erlagsgrund vor. Der Schuldner kann bei Annahmebereitschaft des (einzigen) Gläubigers nicht etwa - gleichsam zur eigenen Sicherheit - deshalb hinterlegen, weil er seine Leistungspflicht bestreitet. Dies erklärt sich daraus, dass in einem derartigen Fall - wenn keine einvernehmliche Klärung zustande kommt - eine Lösung ohnehin nur durch eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger herbeigeführt werden kann und eine gerichtliche Hinterlegung des Leistungsobjekts das Erreichen einer solchen Lösung um keinen Schritt weiterbringt.
Soweit die Rsp „Unzufriedenheit“ des Gläubigers als Erlagsgrund anerkennt, so sind damit Fälle gemeint, in denen der Gläubiger die Leistung nicht als dasjenige annehmen will, als das sie ihm vom Schuldner angeboten wird. Dieser Hinterlegungsgrund knüpft also daran an, dass der Gläubiger die angebotene Leistung - etwa hinsichtlich ihres Ausmaßes oder ihres rechtlichen Charakters - anders qualifiziert als der Schuldner.
In der Entscheidung 10 Ob 95/05a hat der OGH das Vorliegen einer solchen Konstellation in einem Fall verneint, in dem die Antragstellerin die zu hinterlegende Zahlung ihrem Gläubiger gar nicht angeboten habe, weil sie ja bewusst nicht an ihn leisten habe wollen. Anderes würde dann gelten, wenn der Gläubiger die Zahlung nicht „unpräjudiziell für die beiderseitigen Prozessstandpunkte“ annehmen wollte und der Beklagte mit Recht fürchten müsse, dass ihm eine Zahlung an den Kläger zum Nachteil ausgelegt werden könne. In einem derartigen Fall wäre der Gerichtserlag berechtigt. Eine derartige Konstellation würde nämlich bedeuten, dass der Gläubiger vom Schuldner verlangt, dass dieser die Zahlung ausdrücklich als bloße Teilzahlung anerkennt.
In der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 5 Ob 260/01y ging es um einen Gerichtserlag als Sicherheitsleistung zur Abwendung eines Zurückbehaltungsrechts gem § 471 Abs 2 ABGB. Schon deshalb kann diese Entscheidung nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Zwar erwähnt die Begründung der Entscheidung 5 Ob 260/01y den Fall der „Unzufriedenheit“ des Gläubigers als Erlagsgrund, präzisiert aber in der Folge, dass sich dies auf eine Auseinandersetzung um den Annahmeverzug des Gläubigers und seine Folgen bezieht. Eine derartige Konstellation liegt im vorliegenden Fall aber nicht vor. Im vorliegenden Fall hat die Erlagsgegnerin vielmehr den von den Antragstellern bezahlten (Teil-)Betrag angenommen. Dass die Antragsteller die darüber hinausgehende Forderung der Antragsgegnerin bestreiten, stellt keinen Erlagsgrund dar.