07.09.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Verjährung gem Art 32 CMR – zur Frage, ob die in Satz 2 des Art 32 Abs 1 CMR bei Vorsatz oder bei einem Verschulden, das nach dem Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichsteht, normierte Verlängerung der nach Satz 1 grundsätzlich einjährigen Verjährungsfrist auf drei Jahre, auch für Vergütungs- oder Kostenerstattungsansprüche gilt

Es ist kein plausibler Grund ersichtlich, der eine frühere Verjährung von Primärleistungsansprüchen gegenüber Schadenersatzansprüchen bei Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens des Schuldners rechtfertigt; je komplizierter die Rechtslage und je schwieriger die Beurteilung einer primären Leistungspflicht ist, umso weniger wird wohl in aller Regel die unrichtige Beantwortung dieser Frage durch einen Leistungspflichtigen ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten darstellen


Schlagworte: Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr, Frachtführer, Verjährung, Vorsatz, Verschulden, Verlängerung der Verjährungsfrist, Leistungsanspruch, Schadenersatz
Gesetze:

Art 32 CMR

GZ 7 Ob 74/11z, 06.07.2011

 

OGH: Nach stRsp sind alle Ansprüche, die sich aus einer der CMR unterliegenden Beförderung ergeben, also uU auch solche Ansprüche, die gar nicht aus der CMR selbst abgeleitet werden, der Verjährungsregelung des Art 32 CMR unterworfen.

 

Der Revisionswerber meint, im Gegensatz zur Beklagten und zu den Vorinstanzen, dass die Verlängerung auch Vertragserfüllungsansprüche und insbesondere Entgeltansprüche des Frachtführers betrifft. Die Vorinstanzen sind der Entscheidung 6 Ob 740/80, gefolgt, in der der OGH ausgesprochen hat, dass die dreijährige Verjährungsfrist des Art 32 Abs 1 Satz 2 CMR auf den Anspruch des Frachtführers auf Zahlung des vereinbarten Entgelts unanwendbar sei. Ein Zahlungsverzug vermöge die Anspruchsgrundlagen und den Anspruchscharakter nicht nachträglich zu verändern, der, soweit er für die Verjährung erheblich sein solle, schon zu Beginn der Verjährungsfrist feststehen müsse.

 

Zunächst kann schon dem Wortlaut des Art 32 Abs 1 CMR eine Differenzierung in Schadenersatzansprüche einerseits und in Primärleistungsansprüche andererseits oder eine Beschränkung auf Schadenersatzansprüche nicht entnommen werden. Den Einwand, die Nichtzahlung des Frachtentgelts erfolge in aller Regel vorsätzlich, weshalb es zu einer Umkehr des in Art 32 Abs 1 CMR bestimmten Regel-/Ausnahmeverhältnisses komme, hat der BGH (Entscheidung vom 22. 4. 2010, I ZR 31/08), auf dessen Ausführungen verwiesen wird, überzeugend entkräftet. Insbesondere überzeugt aber auch der Hinweis, dass es einen eklatanten Wertungswiderspruch darstellte, wenn man Schadenersatzansprüche gegenüber vorsätzlich missachteten Leistungsansprüchen privilegierte. Dies wird auch von Köper insofern erkannt, als er die Verlängerung der Verjährungsfrist bei vorsätzlicher Nichterfüllung von Primärleistungsansprüchen im Fall der Sittenwidrigkeit und/oder des Vorliegens eines Vermögensdelikts doch bejaht. Ein (zumindest) sittenwidriges, wenn nicht geradezu arglistiges Vorgehen der Beklagten (arg „angewandte Methode“) wird vom Kläger auch im vorliegenden Fall behauptet. Auch wenn er es in erster Instanz unterlassen hat, sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf Schadenersatz zu berufen, kann ihm entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht unterstellt werden, er habe eine Haftung wegen schuldhafter Nichterfüllung zunächst ausgeschlossen.

 

Das vom OGH in der Entscheidung 6 Ob 740/80 angeführte Argument, eine Verlängerung der Verjährungsfrist komme bei Leistungsansprüchen nicht in Betracht, weil die Dauer der Verjährungsfrist bei deren Beginn feststehen müsse, überzeugt letztlich nicht. Wiederholt hat der OGH nämlich bereits ausgesprochen, dass die Verjährung erst in jenem Zeitpunkt zu laufen beginnen könne, in dem das Recht an sich ausgeübt hätte werden können, wenn seiner Geltendmachung also kein objektives rechtliches Hindernis mehr entgegenstehe. Anerkannt sei, dass die Regelung der Verjährung in Art 32 CMR nicht vollständig sei. Es müsse allenfalls eine berichtigende Auslegung des Art 32 Abs 1 Satz 3c CMR vorgenommen werden und nationales Recht anzuwenden sein. Da nach österreichischem Recht mangelnde Fälligkeit den Verjährungsbeginn hindert, geht die in 6 Ob 740/80 angestellte Überlegung letztlich ins Leere.

 

Entgegen der Ansicht Herbers stellt die Frage, ob Frachtentgelt vorsätzlich oder mit vorsatzgleichem Verschulden nicht geleistet wurde, kein derart unüberwindliches Problem dar, dass aus dieser „praktischen“ Erwägung die Anwendung des Art 32 Abs 1 CMR auf Schadenersatzansprüche beschränkt bleiben müsste. Je komplizierter die Rechtslage und je schwieriger die Beurteilung einer primären Leistungspflicht daher ist, umso weniger wird wohl in aller Regel die unrichtige Beantwortung dieser Frage durch einen Leistungspflichtigen ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten darstellen.

 

Ausgehend von ihrer daher nicht zu teilenden Rechtsansicht haben sich die Vorinstanzen mit dem Vorbringen des Klägers, die Beklagte sei ihrer Verpflichtung zur Zahlung des Frachtentgelts iSd Art 32 Abs 1 CMR vorsätzlich, ja geradezu arglistig nicht nachgekommen, nicht weiter auseinandergesetzt. Das Verfahren ist daher noch ergänzungsbedürftig. Sollte die Beklagte, wie vom Kläger behauptet, das Frachtentgelt vorsätzlich (sogar arglistig) oder mit vorsatzgleichem Verschulden nicht geleistet haben, wäre von einer dreijährigen Verjährungsfrist auszugehen und der Verjährungseinwand daher unberechtigt.