17.08.2011 Sozialrecht

VwGH: Arbeitswilligkeit gem § 9 AlVG - Maßnahme zur Wiedereingliederung

Bei Vorliegen der in § 9 Abs 8 AlVG geregelten Voraussetzungen kann eine (ausführlichere) Begründung der Maßnahme vor Zuweisung entfallen und sohin die Begründung der Notwendigkeit oder auch Nützlichkeit der Maßnahme noch im Verwaltungsverfahren nachgeholt werden; ein Ausschluss vom Bezug der Geldleistung setzt aber jedenfalls voraus, dass entsprechende Gründe für die Zuweisung zu einer Maßnahme vorliegen


Schlagworte: Arbeitslosenversicherungsrecht, Arbeitswilligkeit, Maßnahmen zur Wiedereingliederung, ungerechtfertigte Weigerung
Gesetze:

§ 9 AlVG, § 10 AlVG

GZ 2011/08/0013, 06.07.2011

 

VwGH: Um sich durch die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Teilnahme ausgerichteten aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, den Erfolg der Maßnahme zu vereiteln.

 

Es steht nicht im freien Belieben des AMS, Arbeitslosen (Langzeitarbeitslosen) entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder sie zu einer Nach- oder Umschulung oder zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme zuzuweisen. Für die Zuweisung zu einer solchen Maßnahme ist vielmehr Voraussetzung, dass die Kenntnisse des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind. Eine Wiedereingliederungsmaßnahme ist nur dann erforderlich und zumutbar iSd § 9 AlVG, wenn sie allein oder gemeinsam mit anderen Maßnahmen im Hinblick auf eine tatsächliche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt Erfolg versprechend erscheint.

 

Mit BGBl I Nr 104/2007 wurde - mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2008 - die Bestimmung des § 9 Abs 8 AlVG eingefügt. In den Gesetzesmaterialien wird hiezu ausgeführt, Abs 8 enthalte nähere Regelungen für Maßnahmen zur Wiedereingliederung. In Fällen, in denen die Erforderlichkeit einer Maßnahme zur Wiedereingliederung offenkundig sei, solle die an sich für das AMS bestehende Begründungspflicht unmittelbar vor der Zuweisung entfallen können. Daraus ist abzuleiten, dass bei Vorliegen näher geregelter Voraussetzungen eine (ausführlichere) Begründung der Maßnahme vor Zuweisung entfallen und sohin die Begründung der Notwendigkeit oder auch Nützlichkeit der Maßnahme noch im Verwaltungsverfahren nachgeholt werden kann. Ein Ausschluss vom Bezug der Geldleistung setzt aber jedenfalls voraus, dass entsprechende Gründe für die Zuweisung zu einer Maßnahme vorliegen.

 

Der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides 42 Jahre alte Bf ist seit seinem 33. Lebensjahr arbeitslos. Als das AMS dem Bf die gegenständliche Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt am 22. April 2010 vorgeschrieben hat, waren jahrelange Vermittlungs- und Bewerbungsbemühungen des AMS und des Bf erfolglos geblieben. Mit der Maßnahme sollte - was dem Bf bekannt war - insbesondere seine Zuweisung zu einem Transitarbeitsplatz vorbereitet bzw ermöglicht werden. Es musste für ihn iSd § 9 Abs 8 AlVG offenkundig gewesen sein, dass sich die Wahrscheinlichkeit, zunächst einen Transitarbeitsplatz und über diesen sodann auch eine Beschäftigung am "ersten Arbeitsmarkt" zu erlangen, mit der gegenständlichen Maßnahme zur Wiedereingliederung erhöhen würde. Es ist notorisch und bedarf keiner näheren Begründung, dass eine langjährige Absenz vom Arbeitsmarkt den arbeitsplatzbezogenen Einordnungs- und Kommunikationsfähigkeiten eines potentiellen Mitarbeiters in der Regel nicht förderlich ist, und dass dies wiederum in den Augen von Arbeitgebern einen entscheidenden Bewerbungsnachteil bei sonst durchaus gleicher Qualifikation darstellen kann.

 

Das AMS hat dem Bf demgemäß am 22. April 2010 seine Auffassung mitgeteilt, dass bei ihm Defizite, die eine Arbeitsaufnahme verhindern, bzw Defizite hinsichtlich der eigenen Einschätzung seines persönlichen Arbeitspotentials bestehen. Zur Behebung dieser Defizite wurde ihm an diesem Tag die Maßnahme "Vorbereitungsphase Jobtransfair" zugewiesen, deren Inhalt (den Informationsveranstaltungen bei Jobtransfair zu Folge) insbesondere darin bestehen sollte, "Orientierungslosigkeit bzgl der weiteren beruflichen Laufbahn, falsches Bewerbungsverhalten, Fehlen der für den Beruf erforderlichen Qualifikationen" zu beseitigen und Karrierepläne zu erarbeiten. Nach Ablauf der Vorbereitungsphase sollte entschieden werden, ob es iSd § 9 Abs 7 AlVG zur Zuweisung einer Beschäftigung, die der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dient (Transitarbeitsplatz), kommt. Ziel der Maßnahme war es der Zuweisung zu Folge, den Bf "durch diese intensive Betreuung in ein Transitdienstverhältnis im SÖBU und/oder sofort in den 1. Arbeitsmarkt zu integrieren." Dem im angefochtenen Bescheid detailliert beschriebenen Inhalt der Maßnahme kann entnommen werden, dass dem Bf mit dieser Maßnahme eine Vorbereitungsphase geboten werden sollte, die dazu dient, die (für die Wiedereingliederung eines Langzeitarbeitslosen erforderlichen) persönlichen, sozialen und organisatorischen Kompetenzen zu stärken und die mögliche Aufnahme des Bf in ein Transitarbeitsverhältnis vorzubereiten, insbesondere durch eine - gem § 9 Abs 8 erster Satz AlVG zulässige - Arbeitserprobung sowie durch die Organisation von "Schnupper- und Lernpraktika".

 

Der Bf hat die Teilnahme an dieser nicht von vornherein als nicht zielführend zu erkennenden Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt abgelehnt, obwohl ihm nach nahezu zehn Jahren erfolgloser Arbeitssuche und der mit ihm geführten Beratungsgespräche bekannt gewesen sein musste, dass die Voraussetzungen für eine derartige Maßnahme vorlagen. Verweigert ein Arbeitsloser die Teilnahme an einer solchen Maßnahme in objektiver bzw ihm zuzurechnender Kenntnis ihres Inhaltes sowie ihrer Zumutbarkeit und Erforderlichkeit, liegt eine ungerechtfertigte Weigerung vor, die den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld nach sich zieht.