20.07.2011 Verkehrsrecht

VwGH: Begründete Bedenken hinsichtlich gesundheitlicher Eignung zum Lenken von Kfz – Erlassung eines Aufforderungsbescheid gem § 24 Abs 4 FSG (iZm Suchtmittelkonsum in der Vergangenheit)

Ein Aufforderungsbescheid ist nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Falle einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen


Schlagworte: Führerscheinrecht, Aufforderungsbescheid, amtsärztliche Untersuchung, begründete Bedenken, gesundheitliche Eignung, Suchtmittel, Konsum, Abstinenz
Gesetze:

§ 24 Abs 4 FSG, § 8 FSG, § 3 FSG-GV, § 5 FSG-GV, § 14 FSG-GV

GZ 2011/11/0026, 24.05.2011

 

Mit (Vorstellungs)Bescheid vom 30. August 2010 forderte die BH Bregenz die Bf gem § 24 Abs 4 FSG auf, sich innerhalb von zwei Monaten ab Rechtskraft amtsärztlich untersuchen zu lassen. Begründend wurde ausgeführt, die Bf sei geständig, im Zeitraum von Anfang Februar 2010 bis zum 3. Juni 2010 ca 90 Joints konsumiert zu haben, weshalb davon auszugehen sei, dass sich eine Suchtgiftabhängigkeit entwickelt habe.

 

VwGH: In stRsp vertritt der VwGH die Auffassung, Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs 4 FSG seien begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kfz derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei gehe es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssten aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Im Zusammenhang mit einem Suchtmittelkonsum des Inhabers einer Lenkberechtigung wäre ein Aufforderungsbescheid rechtens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, dem Betreffenden fehle infolge Suchtmittelabhängigkeit (oder wegen Fehlens der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung) die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kfz.

 

Ebenfalls in stRsp vertritt der VwGH die Auffassung, wie sich aus § 14 FSG-GV ergebe, berühre ein geringfügiger Suchtmittelgenuss die gesundheitliche Eignung (noch) nicht. Erst dann, wenn der Konsum zu einer Abhängigkeit zu führen geeignet sei oder wenn die Gefahr bestehe, dass die betreffende Person nicht in der Lage sein könnte, den Konsum so weit einzuschränken, dass ihre Fähigkeit zum Lenken von Kfz nicht (mehr) beeinträchtigt sei, läge ein Grund vor, unter dem Aspekt eines festgestellten - wenn auch verbotenen - Suchtmittelkonsums die gesundheitliche Eignung begründeterweise in Zweifel zu ziehen.

 

Wie die Bf zutreffend vorbringt, hat der VwGH weiters ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass ein Aufforderungsbescheid nur dann zulässig sei, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Falle einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen.

 

Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob der von der Bf eingeräumte Suchtmittelkonsum im erwähnten gegenständlichen Zeitraum für sich allein betrachtet noch als gelegentlicher Konsum iSd Rsp des VwGH zu qualifizieren ist. Im Lichte der hg Judikatur hatte die belangte Behörde nämlich zu beurteilen, ob noch im Zeitpunkt der Erlassung ihres Berufungsbescheides, mithin mehr als sechs Monate nach Ablauf des gegenständlichen Zeitraums, begründete Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung der Bf bestanden.

 

Der belangten Behörde ist zwar einzuräumen, dass sich aus den beiden vorgelegten negativen Harnattesten allein nicht ableiten ließ, dass die Bf im gesamten Zeitraum seit dem 3. Juni 2010 abstinent war. Die Bf hat aber vorgebracht, seit 3. Juni 2010 kein Cannabis konsumiert zu haben. Im angefochtenen Bescheid findet sich keine Beweiswürdigung dahin, dass die belangte Behörde dieses Vorbringen etwa als unglaubwürdig qualifiziert hätte, dies schon deshalb, weil die belangte Behörde eine Beweiswürdigung des Vorbringens der Bf gänzlich unterlassen hat.

 

Eine Beweiswürdigung wäre aber entgegen der Auffassung der Behörde in der Gegenschrift erforderlich gewesen, weil die Äußerung des medizinischen Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung sinnvoll nicht anders verstanden werden konnte, als dass dieser damit zum Ausdruck brachte, dass bei Abstinenz ab 3. Juni 2010 davon auszugehen wäre, dass der wiederholte Cannabiskonsum im gegenständlichen Zeitraum bis 3. Juni 2010 nicht zu einer Suchtmittelabhängigkeit geführt habe, was freilich rechtlich zur Konsequenz hätte, dass begründete Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung der Bf im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht gegeben wären.

 

Die belangte Behörde kann sich im Übrigen auch nicht auf das hg Erkenntnis vom 24. April 2001, 2001/11/0035 berufen, weil die diesem Erkenntnis zugrunde liegende Konstellation mit dem Beschwerdefall insofern nicht vergleichbar ist, als es anders als im vorliegenden Beschwerdefall kein Vorbringen zu einer Abstinenz nach einer längeren Phase intensiveren Suchtmittelkonsums gab. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht insofern vielmehr dem, der dem Erkenntnis vom 24. April 2001, 2000/11/0231, zugrunde lag, weil auch in diesem Fall vom VwGH einbezogen wurde, dass nach der länger zurückliegenden Phase des Suchtmittelkonsums eine mehrmonatige Phase der Abstinenz folgte.