20.07.2011 Wirtschaftsrecht

VwGH: Entziehung der Gewerbeberechtigung gem § 87 Abs 1 Z 3 GewO

Das in § 87 Abs 1 Z 3 GewO enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" kann nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der iZm dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften; da sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als zwingende Rechtsvermutung aus den schwerwiegenden Verstößen ergibt, bedarf es bei der Beurteilung, ob der Entziehungsgrund des § 87 Abs 1 Z 3 GewO erfüllt ist, idR keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers


Schlagworte: Gewerberecht, Entziehung der Gewerbeberechtigung, schwerwiegende Verstöße
Gesetze:

§ 87 Abs 1 Z 3 GewO

GZ 2011/04/0025, 14.04.2011

 

VwGH: Gem § 87 Abs 1 Z 3 GewO ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die iZm dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.

 

Gem § 87 Abs 1 letzter Absatz GewO sind Schutzinteressen gem § 87 Abs 1 Z 3 GewO insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen allein auf Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung.

 

Nach stRsp des VwGH kann das in § 87 Abs 1 Z 3 GewO enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der iZm dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften. Entscheidend ist somit, dass sich aus dieser Vielzahl unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung die Prognose stellen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen. Eine solche Sichtweise ist auch vor dem Hintergrund des sich aus Art 6 StGG ergebenden Gebotes der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in die Erwerbsfreiheit erforderlich.

 

Die Beschwerde versucht in diesem Zusammenhang die achtmalige Bestrafung der Bf gem § 368 GewO wegen der Darbietung von lauter Musik mit dem Hinweis auf die Ortsabwesenheit der Bf vom 30. August 2008 bis 20. September 2008 zu relativieren. Damit kann die Bf allerdings schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dartun, weil die belangte Behörde in der Frage, ob die Bf die ihr in diesen Straferkenntnissen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen (einschließlich der subjektiven Tatseite) begangen habe, an die angeführten Straferkenntnisse gebunden war. Abgesehen davon wurde die Bf auch iZm zu lauter Musikdarbietung am 14. März 2009 bestraft.

 

Die der Bf im angefochtenen Bescheid zur Last gelegten acht Übertretungen des § 368 GewO in einem relativ kurzen Zeitraum sowie die damit im Zusammenhang stehende Übertretung des § 74 Abs 1 und 2 iVm § 366 Abs 1 Z 3 GewO (jeweils wegen zu lauter Musik) sind in ihrer Gesamtheit "schwerwiegenden Verstößen" iSd § 87 Abs 1 Z 3 GewO gleichzuhalten. Es ist dabei nämlich zu berücksichtigen, dass schon mit Bescheid vom 4. März 2008 die Stilllegung der Musikanlage verfügt worden war, sodass es an der Bf gelegen wäre, dieser Verfügung zu entsprechen und damit - von vornherein - die mehrfach beanstandeten Musikdarbietungen zu unterbinden.

 

Bei dem Verbot der Beschäftigung von nach dem AuslBG hiezu nicht berechtigten Arbeitnehmern handelt es sich um eine für die Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes besonders wichtige Norm, deren Einhaltung zu den in § 87 Abs 1 GewO ausdrücklich genannten bei der Gewerbeausübung zu beachtenden Schutzinteressen zählt ("Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung"). Dass der Einhaltung dieser Norm vom Gesetzgeber ein sehr großes Gewicht beigemessen wird, ergibt sich schon aus den für diesbezügliche Übertretungen in § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG vorgesehenen relativ hohen (Mindest-)Strafdrohungen.

 

Mit dem in der Beschwerde behaupteten Irrtum der Bf über das zum Tatzeitpunkt gegebene Erfordernis einer Beschäftigungsbewilligung für ihre rumänische Arbeitnehmerin wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, weil die belangte Behörde auch hinsichtlich dieser Verwaltungsübertretung an die rechtskräftige Bestrafung der Beschwerdeführerin gebunden war.

 

Die belangte Behörde durfte daher diese festgestellte Übertretung nach dem AuslBG zutreffend als schwerwiegenden Verstoß iSd § 87 Abs 1 Z 3 GewO werten.

 

Auch das Beschwerdevorbringen, die Bf sei jahrzehntelang völlig ordnungsgemäß tätig gewesen, kann eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzeigen.

 

Da sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als zwingende Rechtsvermutung aus den schwerwiegenden Verstößen ergibt, bedarf es nämlich bei der Beurteilung, ob der Entziehungsgrund des § 87 Abs 1 Z 3 GewO erfüllt ist, idR keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers.