OGH: Auflösung eines Fruchtgenussrechts infolge Zahlungsrückstands?
Die Grundsätze für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigen Gründen gelten auch für sonstige Dauerrechtsverhältnisse wie Dienstbarkeiten und ähnliche Gebrauchsrechte; ihre Auflösung kann aber wegen der stärkeren dinglichen Bindung nur "äußerstes Notventil" sein; die für die Auflösung in Betracht kommenden Gründe müssen ein noch größeres Gewicht haben als jene, die für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen genügen
§§ 472 ff ABGB
GZ 10 Ob 42/11s, 31.05.2011
OGH: Dauerschuldverhältnisse können grundsätzlich aus wichtigen Gründen vorzeitig aufgelöst werden. Als wichtige Gründe kommen insbesondere Vertragsverletzungen, der Verlust des Vertrauens in die Person des Schuldners oder schwerwiegende Änderungen der Verhältnisse in Betracht, welche die Fortsetzung der vertraglichen Bindung nicht zumutbar erscheinen lassen. Diese Grundsätze gelten nach hL und stRsp auch für sonstige Dauerrechtsverhältnisse wie Dienstbarkeiten und ähnliche Gebrauchsrechte. Ihre Auflösung kann aber wegen der stärkeren dinglichen Bindung nur „äußerstes Notventil“ sein; die für die Auflösung in Betracht kommenden Gründe müssen ein noch größeres Gewicht haben als jene, die für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen genügen. So können etwa auch wiederholte Zahlungsrückstände des Fruchtgenussberechtigten einer Eigentumswohnung einen besonders wichtigen Grund bilden, der den Eigentümer berechtigt, selbst das Dauerrechtsverhältnis des Fruchtgenusses vorzeitig aufzulösen. Ob die für die Auflösung in Betracht kommenden Gründe ein so großes Gewicht haben, dass nur mehr die Auflösung als „äußerstes Notventil“ bleibt, hängt stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Es hat dabei eine Abwägung zwischen den Interessen des Wohnberechtigten und des Eigentümers stattzufinden, die aber wegen ihrer Abhängigkeit von den Umständen des konkreten Einzelfalls einer Überprüfung durch den OGH in der Regel nicht zugänglich ist, es sei denn, es läge ein Fall einer unvertretbaren Beurteilung durch das Berufungsgericht vor.
Im vorliegenden Fall lag zwar zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Auflösungserklärung des Klägers vom 16. 2. 2009 ein erheblicher Zahlungsrückstand des Beklagten vor, da er zu diesem Zeitpunkt die Betriebskosten für den Zeitraum von Oktober 2007 bis einschließlich Jänner 2009 (16 Monate) noch nicht bezahlt hatte. Es hat aber bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass erst mit der Zustellung des Berufungsurteils am 30. 1. 2009 für den Beklagten die Gewissheit bestand, dass er entgegen seines - durchaus vertretbaren - Prozessstandpunkts zur Zahlung der Betriebskosten verpflichtet ist. Der Verfahrenshilfe genießende und nur über ein geringes Pensionseinkommen verfügende Beklagte bemühte sich nach den Feststellungen der Vorinstanzen nach Zustellung des Berufungsurteils, den Rückstand abzudecken, was ihm auch nach ca fünf Monaten noch während des in erster Instanz anhängigen Verfahrens gelang. Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage zu dem Ergebnis gelangte, der Umstand, dass der Beklagte innerhalb der 14-tägigen Leistungsfrist den Betriebskostenrückstand sowie die Prozesskosten und Nebengebühren aus dem Vorprozess nicht zur Gänze begleichen konnte, sei keinesfalls von derart gravierendem Gewicht, dass dem Kläger die Fortsetzung des Dauerrechtsverhältnisses unzumutbar wäre, kann darin jedenfalls keine vom OGH im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden. Entscheidend ist, dass sich der Beklagte sofort nach Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidung des Berufungsgerichts bemühte, den Rückstand abzudecken und ihn auch während des Verfahrens berichtigte.
Der OGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Sondernorm des § 33 Abs 2 MRG nur für Bestandobjekte gilt, die dem MRG unterliegen. Er hat aber auch in mehreren Entscheidungen zur Beurteilung der Frage, ob wichtige Gründe für die Auflösung eines dinglichen Rechts (Wohnrecht, Fruchtgenussrecht) vorliegen, im Wege der Rechtsanalogie auch Rechtsgrundsätze, die dem § 33 Abs 2 und 3 MRG zugrundeliegen, herangezogen. In diesen Entscheidungen wurde aber immer betont, dass die für die Auflösung eines dinglichen Rechts in Betracht kommenden Gründe ein noch größeres Gewicht haben müssen, als allgemein für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen gefordert wird.
Auch aus dieser Rsp lässt sich für den Prozessstandpunkt des Klägers im vorliegenden Fall im Ergebnis nichts gewinnen, weil der Beklagte die rückständigen Betriebskosten während des Verfahrens gezahlt hat und ihn nach der vertretbaren Beurteilung durch das Berufungsgericht am Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden trifft. Die Frage, ob den Beklagten am Zahlungsrückstand ein grobes Verschulden trifft, ist ebenso wie die Frage, ob dazu von ihm ein ausreichendes Prozessvorbringen erstattet wurde, jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängig.