VwGH: Devolutionsantrag nach § 73 Abs 2 AVG - überwiegendes Verschulden der Behörde und unüberwindbares Hindernis iZm Säumnis des Amtssachverständigen
Die Tatsache, dass Sachverständigengutachten und Ermittlungsergebnisse erst nach längerer Zeit abgeliefert werden, ist für sich allein nicht geeignet, das Vorliegen eines unüberwindbaren Hindernisses zu begründen; es ist Aufgabe der Behörde, mit Sachverständigen und anderen in das Verfahren Involvierten sachlich begründete Termine zu vereinbaren, deren Einhaltung zu überwachen und bei Nichteinhaltung entsprechende Schritte zu setzen
§ 73 AVG
GZ 2009/06/0192, 27.04.2011
Der Bf wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass die verzögerte Bearbeitung der Angelegenheit durch den Amtssachverständigen der Berufungsbehörde einem unüberwindlichen Hindernis gleichzusetzen sei. Der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs 2 AVG sei insofern objektiv zu verstehen, als ein solches Verschulden dann anzunehmen sei, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert gewesen sei. Die Säumnis des Amtssachverständigen sei naturgemäß nicht der Partei, sondern der Behörde zuzurechnen. Abgesehen davon sei die Tatsache, dass ein Sachverständigengutachten erst nach längerer Zeit abgeliefert werde, für sich allein nicht geeignet das Vorliegen eines unüberwindbaren Hindernisses zu begründen. Es sei Aufgabe der Behörde, mit Sachverständigen Termine zu vereinbaren, deren Einhaltung zu überwachen und bei Nichteinhaltung entsprechende Schritte zu setzen. Zumindest Letzteres sei von der Berufungsbehörde verabsäumt worden. Die Entscheidungsfrist des § 73 Abs 1 AVG sei daher aus dem alleinigen Verschulden der Berufungsbehörde nicht eingehalten worden.
VwGH: Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu. Wie dies der Bf zutreffend erwähnt, hat der VwGH bereits ausgesprochen, dass Sachverständigengutachten und Ermittlungsergebnisse, die erst nach längerer Zeit abgeliefert werden, für sich allein nicht geeignet sind, das Vorliegen eines unüberwindlichen Hindernisses zu begründen. Es sei vielmehr Aufgabe der Behörde gewesen, ab Vorliegen eines vollständigen Antrages (in dem konkreten Beschwerdefall ab Vorliegen des geänderten Projektes) konkrete Aufträge an den Sachverständigen zur Erstellung eines für die Entscheidung geeigneten Gutachtens zu erteilen, mit den für die Entscheidung relevanten Sachverständigen und anderen in das Verfahren Involvierten sachlich begründete Termine zu vereinbaren, deren Einhaltung zu überwachen und bei Nichteinhaltung entsprechende Schritte zu setzen.
Dass die Berufungsbehörde diesen Anforderungen in Bezug auf die für erforderlich erachtete Stellungnahme eines Amtssachverständigen zur Einhaltung des Mindestabstandes in diesem Sinne entsprochen hätte, kann nicht festgestellt werden. Es muss schon als mangelhaft beurteilt werden, dass kein konkreter schriftlicher Auftrag an den Amtssachverständigen betreffend die für erforderliche erachtete Stellungnahme ergangen ist. Es ist weiters aus Anlass der mündlich beantragten Erstattung einer Stellungnahme keine bestimmte Frist mit dem Amtssachverständigen festgesetzt worden. Auch die dreieinhalb Monate nach dem mündlich erteilten Auftrag erfolgten Kontaktnahmen der Behörde mit dem Amtssachverständigen und die im Jänner 2009 in einem E-Mail (eine andere Angelegenheit betreffend) im Nachsatz erfolgte bloße Erinnerung an die Angelegenheit konnten an der nicht ausreichenden Überwachung des herangezogenen Amtssachverständigen im vorliegenden Fall nichts ändern. Hinzu kommt, dass es im vorliegenden Fall nur um eine Stellungnahme des Amtssachverständigen zur Einhaltung des Mindestabstandes des geplanten Steges zur Grundgrenze des Bf ging, die aus den vorgelegten Einreichunterlagen zu beantworten war und auch konkret daraus beantwortet wurde, und nicht um die Erstattung eines Gutachtens. Es ist daher für den VwGH überdies auch nicht ersichtlich, warum angesichts der vorgelegten Einreichunterlagen (insbesondere der Lageplan von Dipl Ing K H M vom 4. September 2006) überhaupt eine Stellungnahme eines Amtssachverständigen zur Einhaltung des Mindestabstandes durch das Bauvorhaben erforderlich war.
Es kann im vorliegenden Fall daher nicht davon ausgegangen werden - wie es die belangte Behörde vertreten hat -, dass die Berufungsbehörde durch unüberwindliche Hindernisse an der rechtzeitigen Entscheidung gehindert gewesen sei. Es ist vielmehr der Berufungsbehörde ein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung der Entscheidung anzulasten.