VwGH: Freie Beweiswürdigung gem § 45 Abs 2 AVG (und verwaltungsgerichtliche Kontrolle)
Auch der Wahrheitsgehalt des späteren Widerrufs einer Aussage ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen
§ 45 AVG
GZ 2008/08/0236, 25.05.2011
VwGH: Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs 2 AVG) bedeutet nach stRsp des VwGH nicht, dass der in der Begründung des Bescheids niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie ua den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, entsprechen. Hingegen ist der VwGH nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, dh sie zu verwerfen, weil auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre.
Soweit der Bf rügt, dass die belangte Behörde ein Schreiben seiner vom Erhebungsorgan befragten Schwester nicht berücksichtigt habe, in dem diese auf die unrichtige Wiedergabe ihrer Aussage im Erhebungsbericht hingewiesen habe, ist festzuhalten, dass auch der Wahrheitsgehalt des späteren Widerrufs einer Aussage im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen ist.