06.07.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Umfang der Vertretungsmacht - Vertragsabschluss mit organschaftlichem Vertreter eines Vereins

Wer mit einem Verein eine Vereinbarung von weittragender Bedeutung abschließen will, dem obliegt es, sich durch Einsicht in die Vereinsstatuten die Überzeugung über Inhalt und Umfang der Vertretungsmacht des für den Verein handelnden Organs und darüber zu verschaffen, dass die Handlungen des Organs im Rahmen seines statutenmäßigen Wirkungskreises erfolgen und durch eine allfällig erforderliche Beschlussfassung des Vorstands gedeckt sind; hinsichtlich des Mangels dieser Zustimmung ist derjenige schlechtgläubig, der bei gehöriger Aufmerksamkeit Bedenken über die Vertretungsmacht hätte haben können


Schlagworte: Vereinsrecht, Vereinsstatuten, Vertretung, organschaftlicher Vertreter, Umfang der Vertretungsmacht, Anscheins- / Duldungsvollmacht, Genehmigung
Gesetze:

§ 1029 ABGB, § 1016 ABGB

GZ 6 Ob 102/11k, 16.06.2011

 

OGH: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen konnte der den Kooperationsvertrag mit dem Kläger schließende Geschäftsführer des beklagten Vereins als organschaftlicher Vertreter nach dessen Statuten allein nur Verträge im Rahmen des gewöhnlichen Wirtschaftsbetriebs schließen. Die Frage der Ungewöhnlichkeit eines Geschäfts ist nach den örtlichen, zeitlichen und branchenmäßigen Anschauungen zu beurteilen. Erhebliche Bedeutung kommt den Umständen des Einzelfalls und der Eigenart des Rechtsgeschäfts zu. Ein Kriterium ist auch das zu erwartende Risiko.

 

Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass im zu entscheidenden Fall der Kooperationsvertrag vom 17. 12. 2007 ein außergewöhnliches Geschäft des beklagten Zweigvereins ist, weil die Vereinbarung vom Beklagten zehn Jahre lang nicht kündbar ist, sich der Beklagte verpflichtete, außer den Kläger keinen Dritten während der Vertragslaufzeit mit der Erstellung von vergleichbaren Werbemitteln, Werbebroschüren, Kalendern oder anderen Print-Produkten, in denen Dritte Inserate einschalten, zu beauftragen (Exklusivität) und der Beklagte dem Kläger für die Aufgabe der Exklusivität drei Jahresumsätze der Broschüre zu zahlen hatte, hält sich im Rahmen der Leitlinien der Rsp und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall.

 

Wer mit einem Verein eine Vereinbarung von weittragender Bedeutung - im Anlassfall der Kooperationsvertrag vom 17. 12. 2007 - abschließen will, dem obliegt es, sich durch Einsicht in die Vereinsstatuten die Überzeugung über Inhalt und Umfang der Vertretungsmacht des für den Verein handelnden Organs und darüber zu verschaffen, dass die Handlungen des Organs im Rahmen seines statutenmäßigen Wirkungskreises erfolgen und durch eine allfällig erforderliche Beschlussfassung des Vorstands gedeckt sind. Hinsichtlich des Mangels dieser Zustimmung ist derjenige schlechtgläubig, der bei gehöriger Aufmerksamkeit Bedenken über die Vertretungsmacht hätte haben können. Bei dieser Rechtslage ist die Verneinung des Vorliegens einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht - eine immer nur anhand von Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu prüfende Frage - nicht korrekturbedürftig. Selbst wenn die vorangegangenen Kooperationsverträge, die wesentlich geringere Verpflichtungen des Beklagten enthielten, nicht zum gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb zählen sollten und die maßgeblichen Organe des Beklagten vom Abschluss dieser Verträge gewusst haben sollten, ist für den Kläger nichts zu gewinnen, durfte er doch daraus berechtigt nur den Schluss ziehen, dass der Geschäftsführer zu Kooperationsverträgen mit dem bisher vereinbarten Inhalt bevollmächtigt ist, nicht aber zu einem den Beklagten wesentlich einschränkenden Vertrag.

 

Überschreitet der Gewalthaber die Grenzen seiner Vollmacht, so ist der Gewaltgeber gem § 1016 ABGB nur insofern verbunden, als er das Geschäft genehmigt oder den aus dem Geschäft entstandenen Vorteil sich zuwendet. Damit die Vorteilszuwendung als Genehmigung wirkt, muss der Geschäftsherr davon wissen, dass in seinem Namen kontrahiert wurde und dass der Vorteil aus diesem Geschäft stammt, das er nunmehr will. Eine Genehmigungserklärung eines Vereins müsste allerdings durch das statutenmäßig für den Abschluss des Geschäfts zuständige Organ erfolgen. Ebenso setzt auch die Vorteilszuwendung voraus, dass das an sich statutenmäßig berufene Organ im Wissen um das vollmachtslos geschlossene Geschäft die bereits resultierenden Vorteile in Anspruch nimmt.

 

Ob der Geschäftsführer selbst davon ausging, zum Abschluss der „gegenständlichen Vereinbarung“ bevollmächtigt zu sein und diese Vereinbarung als Fortschreibung der vorherigen Kooperationsvereinbarungen ansah, ist rechtlich unerheblich, entscheidet doch nicht seine Auffassung über den Umfang seiner organschaftlichen Vertretungsmacht.