29.06.2011 Sozialrecht

VwGH: Verwaltungsstrafverfahren wegen Meldepflichtverletzungen des § 33 Abs 1 ASVG – Vertretungsbefugnis eines Steuerberaters gem § 3 Abs 2 Z 3 WTBG?

Da in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung des § 33 Abs 1 ASVG nicht über eine Beitrags-, Versicherungs- oder Leistungsangelegenheit der Sozialversicherungen verbindlich abgesprochen wird, liegt kein diese Angelegenheiten "betreffendes Verwaltungsverfahren" iSd § 3 Abs 2 Z 3 WTBG vor, in dem der Steuerberater zur Vertretung berechtigt wäre


Schlagworte: Allgemeines Sozialversicherungsrecht, Verwaltungsstrafverfahren, Meldepflichtverletzung, Steuerberater, Verteidigung eines Beschuldigten, Vertretungsbefugnis
Gesetze:

§ 33 ASVG, § 111 ASVG, § 3 Abs 2 Z 7 WBTG, § 10 AVG, § 24 VStG

GZ 2008/08/0040, 16.03.2011

 

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. November 2007 wurde die bf Partei gem § 10 Abs 3 AVG iVm § 24 VStG als Vertreterin des Beschuldigten HB in einem bei der belangten Behörde anhängigen Verwaltungsstrafverfahren nicht zugelassen.

 

Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde verneine die Zulässigkeit der berufsmäßigen Vertretung im gegenständlichen Verfahren mit dem Hinweis, es handle sich um ein Verwaltungsstrafverfahren wegen sozialversicherungsrechtlicher Meldepflichtverletzungen und nicht um ein Abgabenstrafverfahren, wobei Steuerberater nur in einem solchen vertretungsbefugt seien. Damit übersehe die belangte Behörde, dass das WTBG neben § 3 Abs 1 Z 3 noch weitere Vertretungsrechte für Steuerberater vorsehe. Gem § 3 Abs 2 Z 3 WTBG seien Angehörige des Wirtschaftstreuhandberufs Steuerberater berechtigt, in Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten (der Sozialversicherungen) zu beraten und in erster und zweiter Instanz der betreffenden Verwaltungsverfahren zu vertreten.

 

Dieser Begriff der "betreffenden Verwaltungsverfahren" beinhalte auch damit zusammenhängende Verwaltungsstrafverfahren. Allgemein würden unter dem Begriff Verwaltungsverfahren nämlich "sämtliche für diesen Bereich kodifizierte Verfahrensgesetze" verstanden.

 

VwGH: Aus § 3 Abs 2 Z 3 WTBG kann die bf Partei keine Vertretungsbefugnis in Verwaltungsstrafverfahren ableiten. Diese Bestimmung nimmt nämlich hinsichtlich der "Vertretungsbefugnis in erster und zweiter Instanz" ausdrücklich (nur) auf die Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten der Sozialversicherungen Bezug. In einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung des § 33 Abs 1 ASVG ist jedoch keine Beitrags-, Versicherungs- oder Leistungsangelegenheit Gegenstand des Verfahrens, sondern einzelne Fragen aus diesen Bereichen könnten in Verwaltungsstrafverfahren (allenfalls) als Vorfrage zu beurteilen sein. Insofern kann der bf Partei auch nicht darin gefolgt werden, dass es im Verwaltungsstrafverfahren zu einer Feststellung nach § 410 ASVG und zu einer Vermischung von "allgemeinem" Verfahren und Strafverfahren komme. Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens ist nämlich ausschließlich die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des HB und nicht eine Feststellung der Pflichtversicherung, zu der die belangte Behörde auch nicht zuständig wäre.

 

Die belangte Behörde hatte nach § 38 AVG die Vorfrage, ob die von HB nicht zur Sozialversicherung gemeldeten Personen in der konkreten Tätigkeit der Pflichtversicherung unterlagen, selbst zu beurteilen oder hätte - sofern das Feststellungsverfahren bereits anhängig gewesen wäre oder gleichzeitig anhängig gemacht worden wäre - das Strafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auch aussetzen können. Durch die Beurteilung der Vorfrage der Pflichtversicherung in einem Verwaltungsstrafverfahren wird diese Frage zwar für die konkrete Sache beantwortet, nicht aber mit Bindungswirkung für das Hauptfrageverfahren - Feststellung der Pflichtversicherung - entschieden.

 

Da in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung des § 33 Abs 1 ASVG somit nicht über eine Beitrags-, Versicherungs- oder Leistungsangelegenheit der Sozialversicherungen verbindlich abgesprochen wird, liegt kein diese Angelegenheiten "betreffendes Verwaltungsverfahren" iSd § 3 Abs 2 Z 3 WTBG vor, in dem die bf Partei zur Vertretung berechtigt wäre.

 

Dieses Begriffsverständnis steht - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist - zudem in Einklang mit § 3 Abs 1 Z 3 WTBG, wonach es den zur Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufs Steuerberater Berechtigten vorbehalten ist, die Vertretung in Abgabe- und Abgabestrafverfahren für Bundes-, Landes- und Gemeindeabgaben auszuüben. Hätte der Gesetzgeber den Begriff des Abgabestrafverfahrens bereits vom Begriff des Abgabeverfahrens erfasst gesehen, wäre die Nennung auch des Abgabestrafverfahrens nicht erforderlich gewesen. Die Vertretung in Abgabestrafverfahren zählt daher nur deshalb zu den vorbehaltenen Tätigkeiten iSd § 3 Abs 1 WTBG, weil diese neben den Abgabeverfahren ausdrücklich im Gesetz erwähnt werden. Auch bei systematischer Auslegung des § 3 WTBG ist daher auch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber Verwaltungsstrafverfahren in § 3 Abs 2 Z 3 WTBG ausdrücklich genannt hätte, wenn sie vom Umfang der dort geregelten Vertretungsbefugnis in Verwaltungsverfahren betreffend Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten der Sozialversicherungen hätten umfasst sein sollen.

 

Auch soweit die bf Partei ihre Vertretungsbefugnis aus § 3 Abs 2 Z 7 WTBG ableitet, kann ihr nicht gefolgt werden:

 

Gem § 3 Abs 2 Z 7 WTBG sind Steuerberater zur Vertretung bei anderen in Wirtschaftsangelegenheiten zuständigen Behörden und Ämtern berechtigt, soweit mit den für den gleichen Auftraggeber durchzuführenden wirtschaftstreuhänderischen Arbeiten ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Diese Bestimmung setzt konkrete wirtschaftstreuhänderische Arbeiten für den gleichen Auftraggeber voraus, die ein Tätigwerden auch vor einer anderen in Wirtschaftsangelegenheiten zuständigen Behörde erfordern oder zumindest nahelegen. Die Verteidigung eines Beschuldigten in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung einer Meldepflicht nach § 33 ASVG weist keinen derartigen unmittelbaren Zusammenhang mit einer für diesen durchzuführenden wirtschaftstreuhänderischen Arbeit auf.

 

Zudem ist festzuhalten, dass bereits § 3 Abs 2 Z 3 WTBG die Befugnisse der Steuerberater im Rahmen der Angelegenheiten der Sozialversicherung regelt und nicht erkennbar ist, dass die in dieser spezielleren Bestimmung geregelten Befugnisse durch § 3 Abs 2 Z 7 WTBG erweitert werden sollten.