VwGH: Zur Frage der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung – Anfechtungsrecht gem Art 89 Abs 2 B-VG
Der Bf hat zwar kein subjektives Recht darauf, dass der UVS von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch macht; im Beschwerdefall ist der Bf in seinen Rechten aber dadurch verletzt worden, dass der UVS sein Vorbringen in Verkennung seines Anfechtungsrechtes überhaupt für unbeachtlich gehalten hat
Art 89 Abs 2 B-VG, Art 129a Abs 3 B-VG
GZ 2010/02/0057, 20.10.2010
VwGH: Das bereits im Verwaltungsstrafverfahren erstattete Vorbringen des Bf war dahin zu verstehen, dass die betreffende Verordnung gesetzwidrig sei, weil sie zur Tatzeit iSd § 43 Abs 1 lit b Z 1 StVO von den dort aufgezählten Voraussetzungen her (seit mehr als drei Jahren) nicht mehr erforderlich war. Eine Befassung mit diesem Vorbringen hat die belangte Behörde für entbehrlich gehalten.
Der VwGH hat in seiner früheren Judikatur ausgesprochen, es gebe keine Bestimmung, welche die Behörde verpflichte, sich mit der Frage der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung auseinanderzusetzen, darüber Beweise abzuführen und in diesem Zusammenhang ihre Erwägungen in die Bescheidbegründung aufzunehmen. Eine dem Art 89 Abs 2 B-VG, wonach ein Gericht, wenn es gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hat, den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim VfGH zu stellen hat, entsprechende Regelung in Bezug auf Verwaltungsbehörden sei der österreichischen Rechtsordnung fremd.
Aus dieser Rsp ist für die belangte Behörde aber in Hinblick auf die nunmehrige Rechtslage nichts zu gewinnen. Bei der belangten Behörde handelt es sich nämlich um einen UVS, für welchen gem Art 129a Abs 3 B-VG die Bestimmung des Art 89 B-VG sinngemäß gilt. Der Bf hat zwar kein subjektives Recht darauf, dass der UVS von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch macht. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides könnte daher darin, dass der UVS Bedenken des Bf gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung nicht teilt, nicht gelegen sein. Im Beschwerdefall ist der Bf in seinen Rechten aber dadurch verletzt worden, dass die belangte Behörde sein Vorbringen in Verkennung ihres Anfechtungsrechtes überhaupt für unbeachtlich gehalten hat. Damit wurde die rechtliche Position des Bf insoweit nachteilig berührt, als die Möglichkeit einer - die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nach sich ziehenden - Aufhebung der Verordnung durch den VfGH bereits anlässlich des Berufungsverfahrens von vornherein ausgeschlossen wurde.
Da Feststellungen zu den maßgeblichen Umständen, etwa zum Zeitpunkt des behaupteten nachträglichen Wegfalls der Belassung der in Rede stehenden Zickzacklinie im ursprünglichen Umfang, der sich aus der Verordnung aus dem Jahre 1996 ergibt, iSd § 43 Abs 1 lit b Z 1 StVO fehlen, sieht sich der VwGH zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in der Lage, bereits von sich aus mit einer Antragstellung gem Art 139 Abs 1 B-VG vorzugehen oder eine solche Notwendigkeit abschließend zu verneinen.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.