OGH: Erkennbarkeit der Aussichtslosigkeit eines Prozessstandpunkts - Verpflichtung zum Ersatz der durch die Prozessführung verursachten Schäden
Eine über die Kostenersatzpflicht hinausgehende Verpflichtung zum Ersatz der durch die Prozessführung verursachten Schäden ist nur dann in Betracht zu ziehen, wenn der im Verfahren Unterlegene wusste oder wenigstens wissen musste, dass sein Rechtsstandpunkt entweder der tatsächlichen Voraussetzungen entbehrt oder schon an sich unhaltbar ist, sodass sein gegenteiliger Standpunkt bei zumutbarer Aufmerksamkeit als schlechthin aussichtslos erscheinen muss oder er den Prozess gar überhaupt wider besseres Wissen oder mutwillig geführt hat
§§ 1295 ff ABGB
GZ 5 Ob 62/11w, 27.04.2011
OGH: Grundsätzlich ist jedermann berechtigt, sich zur Durchsetzung eigener oder zur Abwehr fremder Ansprüche in einen Rechtsstreit einzulassen, weshalb eine über die Kostenersatzpflicht hinausgehende Verpflichtung zum Ersatz der durch die Prozessführung verursachten Schäden nur dann in Betracht zu ziehen ist, wenn der im Verfahren Unterlegene wusste oder wenigstens wissen musste, dass sein Rechtsstandpunkt entweder der tatsächlichen Voraussetzungen entbehrt oder schon an sich unhaltbar ist, sodass sein gegenteiliger Standpunkt bei zumutbarer Aufmerksamkeit als schlechthin aussichtslos erscheinen muss oder er den Prozess gar überhaupt wider besseres Wissen oder mutwillig geführt hat. Zwar kann auch fahrlässiges Verhalten schadenersatzpflichtig machen, doch gilt dies für verfahrensrechtliche Handlungen im Gegensatz zu sonstigen Schädigungen mit der Einschränkung, dass eine Schadenersatzpflicht erst dann ausgelöst wird, wenn der eingenommene Prozessstandpunkt nicht nur für zweifelhaft, sondern sogar für aussichtslos gehalten werden muss.
Die Beurteilung der Erkennbarkeit der Aussichtslosigkeit eines Prozessstandpunkts bzw einer Verfahrensführung ist hiebei derart eng mit den Umständen des jeweiligen Einzelfalls verknüpft, dass eine Revisibilität solcher Fragen nur bei krasser Fehlbeurteilung in Betracht kommt. Allein der Umstand, dass im vorliegenden Rechtsfall Prozesschancen in einem Streit zwischen dem Produzenten eines Werkstoffs, dem „Vertragsverleger“ desselben und dem Endkunden maßgeblich sind, begründet für sich noch keine erhebliche Rechtsfrage. Dass der Beklagte als Produzent dieses Werkstoffs aufgrund des Gutachtens eines renommierten Prüfinstituts wusste, dass die Langzeitbeständigkeit seines Abdichtungssystem „fraglich“ war, was jedoch nicht auch für das Material selbst galt, hat das Berufungsgericht als nicht ausreichend erachtet, um eine Aussichtslosigkeit seiner Prozessführung als beigetretener Nebenintervenient auf Seiten des „Vertragsverlegers“ zu bejahen, der sich einem Schadenersatzanspruch widersetzte.