Regierungsvorlage zum Kundmachungsgesetz (Teil 2)
Wie schon letzte Woche im ersten Teil unserer Besprechung erwähnt, soll in Zukunft die Veröffentlichung der Bundesgesetzblätter rechtsverbindlich grundsätzlich nicht mehr auf Papier sondern im Internet erfolgen. Dazu ist neben einer Neuerlassung des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt auch eine weitere Änderung des B-VG notwendig
a.: Änderungen des B-VG hinsichtlich Kundmachung im Internet
Aus dem Wortlaut des Art 49 B-VG ("Gesetzblatt") wird in der Lehre der Schluss gezogen, dass die Drucklegung des Bundesgesetzblattes auf Papier verfassungsrechtlich geboten ist. Dies wird auch daraus deutlich, dass das In-Kraft-Treten an Herausgabe und Versendung des Bundesgesetzblattes anknüpft, womit auf die herkömmliche Form der Verbreitung von Druckwerken abgestellt werde. Eine andere Form der Veröffentlichung - etwa durch elektronische Medien - dürfe daher nur zur Drucklegung hinzutreten, könne diese aber nicht ersetzen.
Um die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine elektronische Kundmachung zu schaffen, ist demnach die Änderung all jener Bestimmungen des B-VG erforderlich, die an die Herausgabe und Versendung des Bundesgesetzblattes Rechtsfolgen knüpfen. Da die Einführung eines neuen Begriffes für das Kundmachungsmedium mit hohem legistischen Aufwand verbunden wäre, soll der Begriff "Bundesgesetzblatt" beibehalten werden. Die Drucklegung des "Bundesgesetzblattes" auf Papier soll allerdings verfassungsrechtlich nicht mehr geboten sein.
Für die Form der Kundmachung müssen dennoch besondere verfassungsgesetzliche Vorgaben vorgesehen werden. Die vorgeschlagene Formulierung des Art. 49 Abs. 3, wonach Verlautbarungen im Bundesgesetzblatt allgemein zugänglich sein und in ihrer kundgemachten Form vollständig und auf Dauer ermittelt werden können müssen, orientiert sich an § 31 Abs. 9 Z 1 und 2 ASVG. Dass die kundgemachten Rechtsvorschriften allgemein zugänglich sein müssen, bedeutet nicht, dass diese Zugänglichkeit ununterbrochen gewährleistet sein muss; eine ununterbrochene Verbindung eines Verlautbarungsservers mit dem Internet wäre nämlich schon aus technischen Gründen nicht möglich.
b.: Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 2004:
Die Einführung der Kundmachung der Rechtsvorschriften des Bundes im Internet macht eine Neuerlassung des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt erforderlich.
Die im § 2 Abs. 4 BGBlG 1996 vorgesehene Möglichkeit der Kundmachung von Verordnungen im Amtsblatt des zuständigen Bundesministeriums soll wieder entfallen. Aus mehreren (teils technischen) Erwägungen lag es nahe, zur Kundmachung im Bundesgesetzblatt zurückzukehren. Die Möglichkeit, solche Verordnungen darüber hinaus auch im Amtsblatt des zuständigen Bundesministeriums bekannt zu machen (siehe § 7 Abs. 2 des Entwurfes), bleibt unberührt. Für gemäß § 2 Abs. 6 BGBlG 1996 anderweitig kundzumachende Staatsverträge gilt dies nicht in gleichem Maß, da der Text hier nicht notwendigerweise als Datei vorhanden sein muss und es einen wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand verursachen könnte, eine Datei ausschließlich für Zwecke der Verlautbarung eigens zu erstellen.
§ 3 Z 3 soll nunmehr auch auf Aussprüche des Verfassungsgerichtshofes, dass ein Bundesgesetz verfassungswidrig war sowie allfällige sonstige Aussprüche in einem im Gesetzesprüfungsverfahren ergehenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Bedacht nehmen.
Gemäß Art 139 Abs. 2 B-VG aF hatte die Kundmachung der Aufhebung gesetzwidriger Verordnungen durch die "zuständige Behörde" zu erfolgen. Der VfGH sprach aus, dass zur Kundmachung der Aufhebung oder Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer Verordnung die oberste Verwaltungsbehörde zuständig sei, in deren Vollziehungsbereich die Verordnung erlassen wurde (entgegen einer bis dahin bestehenden Praxis, die dazu die erlassende Behörde verpflichtete). War die Verordnung von der Bundesregierung erlassen worden, verpflichtete der Verfassungsgerichtshof diese zur Kundmachung. Seit der B-VG-Novelle 1975 spricht Art. 139 Abs. 5 B-VG ausdrücklich davon, dass die "zuständige oberste Behörde des Bundes oder Landes" zur Kundmachung verpflichtet ist; es liegt nahe, dass durch die geänderte Formulierung die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art. 139 Abs 2 B-VG aF kodifiziert werden sollte. Als die für die Kundmachung der Aufhebung von Verordnungen der Bundesregierung "zuständige oberste Behörde des Bundes" sah der VfGH auch weiterhin die Bundesregierung an. Da § 2 Abs 2 Z 4 BGBlG 1996 auf diesen Fall nicht Bedacht nimmt, wird für die Nachfolgebestimmung eine neue Formulierung vorgeschlagen.
Die vorgeschlagene Formulierung des § 5 Abs. 1 Z 1 soll klar stellen, dass sich der Anwendungsbereich dieser Bestimmung nicht auch auf Staatsverträge gemäß Art. 16 Abs. 1 B-VG erstreckt.
Interessant für die Veröffentlichung im Internet sind insbesondere die §§ 6 - 8, sowie 12 der Regierungsvorlage:
In § 6 wird zunächst ausdrücklich - und unseres Wissens erstmalig in einem Gesetz - das Rechtsinformationssystem des Bundes erwähnt. Dazu wird festgehalten, dass dieses der Kundmachung der im Bundesgesetzblatt zu verlautbarenden Rechtsvorschriften, sowie der Information über das Recht der Republik Österreich dient. Dabei wird im Gesetz im übrigen auch ausdrücklich die Internetadresse (http://www.ris.bka.gv.at) festgeschrieben.
Die §§ 7 und 8 beschäftigen sich mit der Kundmachung der BGBl. Diese müssen jederzeit ohne Identitätsnachweis und gebührenfrei zugänglich sein und in ihrer kundgemachten Form vollständig und auf Dauer ermittelt werden können. Außerdem hat der Bundeskanzler gem. § 8 Abs 2 des Entwurfes unter anderem dafür Sorge zu tragen, dass jedermann gegen ein angemessenes Entgelt Ausdrucke von im Bundesgesetzblatt kundgemachten Rechtsvorschriften erhalten kann. Zu diesem Zweck hat er die Stellen, bei denen diese Ausdrucke bezogen werden können, im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" kundzumachen.
Nach den erläuternden Bemerkungen zu dieser Regierungsvorlage soll § 8 Abs 2 gewährleisten, dass Personen, denen der Zugang zu den im Internet kundgemachten Rechtsvorschriften schwer fällt, Ausdrucke von diesen Rechtsvorschriften erhalten. Wir wollen Ihnen aber auch einen zweiten möglichen Grund für diese Regelung, der sich jedoch nicht in den Materialien findet darstellen: In den Bemerkungen findet sich nämlich der weitere Hinweis, dass der Bund mit der Wiener Zeitung Digitale Publikationen GmbH eine Kooperations-Vereinbarung abgeschlossen hat, der zufolge die GmbH mit dem Druck sowie dem Vertrieb der im Internet kundgemachten Rechtsvorschriften beauftragt wird. Besucht man derzeit die Website www.bgbl.at, die von der Wiener Zeitung betrieben wird, bekommt man dort die BGBl gratis im HTML-Format (nicht originalgetreu) und im PDF-Format (1:1 Umsetzung der gedruckten BGBl). Die BGBl im PDF-Format sind jedoch dahingehend eingeschränkt, dass diese nicht ausgedruckt und deren Inhalte auch nicht zB in ein Textverarbeitungsprogramm kopiert werden können. Möchte man diese Funktionen nützen, muss man ein kostenpflichtiges (und nicht gerade billiges) Abonnement bei der Wiener Zeitung bestellen und erhält dann Zugriff auf die BGBl im PDF-Format ohne Einschränkungen. Somit liegt die Vermutung nahe, dass auch in Zukunft die "Gratis-BGBl" via RIS nur entweder in nicht originalgetreuem Format oder in nicht druckbarer Variante bezogen werden können, während man der Wiener Zeitung ein Geschäftsfeld offen gelassen hat...
§ 12 schließlich enthält den Hinweis, dass Daten die nur der Information über das Recht der Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) dienen, ebenfalls unter www.ris.bka.gv.at zur Abfrage bereit gehalten werden können (!), wobei keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Daten besteht. In den erläuternden Bemerkungen wird dazu klargestellt, dass diese Daten - insbesondere "konsolidierte Fassungen" des Bundesrechts nicht authentisch sind, weil "die Beantwortung der Frage, was geltende Rechtslage ist, im Gegensatz zu der mit rein technischen Mitteln bewältigbaren Abbildung von (Rechts-)Texten immer auch von methodischen Prämissen abhängt, über deren Richtigkeit jedoch in der Rechtswissenschaft keine einhellige Auffassung besteht".
Anzumerken bleibt noch, dass bezüglich dieser Daten im Gesetzesentwurf nichts (!) darüber steht, dass diese in Hinkunft ebenfalls gebührenfrei zugänglich sein müssen. Hier hat man sich also zumindest eine "Hintertür" offen gelassen. In den Erläuterungen finden sich diesbezüglich ebenfalls keine näheren Hinweise.
Auch dieser Teil des Kundmachungsreformgesetzes soll mit 1. Jänner 2004 in Kraft treten.