18.09.2004 EU

EuGH: Kombination von nicht unterscheidungskräftigen Bestandteilen einer Marke kann Unterscheidungskraft bewirken


Mit Urteil vom 16. September 2004 (Rechtsache C-329/02 P - SAT.1 SatellitenFernsehen GmbH/Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Bestandteile einer Marke, die isoliert betrachtet keine Unterscheidungskraft haben, im Fall ihrer Kombination unterscheidungskräftig sein können.

Er begründet dies insbesondere damit, dass der im Telekommunikationssektor häufige Gebrauch von Marken, die aus einem Wort- und einem Zahlenbestandteil zusammen gesetzt sind, darauf hinweist, dass derartigen Kombinationen nicht grundsätzlich Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann.

Nach Auffassung des EuGH hat das Gericht das absolute Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft - absolutes Eintragungshindernis gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 11 vom 14. Jänner 1994, S. 1) - unzutreffend ausgelegt.

Der Europäische Gerichtshof beanstandet in seiner Entscheidung nicht die Beurteilung des Gerichts, nach der die verschiedenen Bestandteile des Begriffs "SAT.2" isoliert betrachtet keine Unterscheidungskraft haben. Er führt vielmehr aus, dass das Gericht zutreffend darauf hingewiesen hat, dass eine zusammengesetzte Marke für die Beurteilung ihrer Unterscheidungskraft in ihrer Gesamtheit zu betrachten ist. Jedoch hat das Gericht seine Entscheidung nicht auf eine solche Prüfung gestützt, sondern auf eine Beurteilung, die im Wesentlichen jeden Bestandteil gesondert geprüft hat.

Die Frage nach der Unterscheidungskraft einer Wortzusammenstellung wie "SAT.2" und nach ihrer Eintragungsfähigkeit als Gemeinschaftsmarke ist auf der Grundlage einer Gesamtwahrnehmung dieser Wortzusammenstellung durch den Durchschnittsverbraucher zu beurteilen. Eine derartige globale Analyse ermöglicht es, die Unterscheidungskraft einer Marke zu bejahen, auch wenn ihre Bestandteile isoliert betrachtet womöglich nicht unterscheidungskräftig sind. Bei dieser Analyse ist außerdem das eventuelle Vorliegen eines Phantasieelements entsprechend zu berücksichtigen.

Im Übrigen stellt der EuGH fest, dass das Gericht rechtsfehlerhaft bei der Prüfung der Unterscheidungskraft ein Kriterium des Allgemeininteresses heran gezogen hat, das nur im Rahmen der Beurteilung des beschreibenden Charakters einschlägig ist.

Der Gerichtshof erinnert daran, dass er hinsichtlich der Frage, ob eine Farbe als solche als Marke eingetragen werden kann, bereits entschieden hat, dass das bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft zu berücksichtigende Allgemeininteresse nicht verlangt, dass die betreffenden Zeichen von allen frei verwendet werden können, sondern es verlangt, dass ihre Verfügbarkeit für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen wie diejenigen anbieten, für welche die Eintragung beantragt wird, nicht ungerechtfertigt eingeschränkt wird.

Der Europäische Gerichtshof präzisiert in der vorliegenden Rechtssache, dass in Anbetracht des Umfangs des einer Marke durch die Verordnung verliehenen Schutzes das Allgemeininteresse, das Art. 7 Abs. 1 lit. b der Verordnung zugrunde liegt, und die wesentliche Funktion der Marke, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch diese Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, offensichtlich ineinander übergehen.

Schließlich hat der EuGH den zugrunde liegenden Rechtsstreit entschieden und die Entscheidung des Amtes in vollem Umfang aufgehoben. Dabei hat er zunächst festgestellt, dass es für die Unterscheidungskraft ausreicht, dass die Marke es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglicht, die fraglichen Waren und Dienstleistungen nach ihrer Herkunft zu bestimmen und sie von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Des weiteren wird ausgeführt, dass sich das Amt in seiner Entscheidung auf den Hinweis beschränkt hat, dass die Bestandteile "SAT" und "2" auf dem Dienstleistungssektor der Medien gebräuchlich verwendet werden, ohne aufzuzeigen, inwieweit der Begriff "SAT.2" als Ganzes nicht die Dienstleistungen von "SAT.1" von denen anderer Unternehmen unterscheiden könnte. Darüber hinaus weist der häufige Gebrauch von Marken im Telekommunikationssektor, die aus einem Wort- und einem Zahlenbestandteil zusammengesetzt sind, darauf hin, dass derartigen Kombinationen nicht grundsätzlich Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann.