EU-Kommission beschließt, Österreich und Deutschland förmlich aufzufordern, die diskriminierende steuerliche Behandlung ausländischer Investmentfonds zu beenden
Die Europäische Kommission hat am 10. Juli 2003 beschlossen, Österreich und Deutschland förmlich aufzufordern, die diskriminierende steuerliche Behandlung ausländischer Investmentfonds zu beenden, aufgrund derer ausländische Investmentfonds Schwierigkeiten haben, ihre Dienstleistungen in diesen beiden Staaten anzubieten.
Nach Auffassung der Kommission verstoßen bestimmte Steuervorschriften in diesen beiden Ländern gegen die Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Dienstleistungs- und Kapitalverkehr (Art. 49 sowie 56). So sind in Deutschland über inländische Investmentfonds bezogene Dividenden nur zur Hälfte steuerpflichtig, wohingegen über ausländische Investmentfonds bezogene zu 100 Prozent besteuert werden. Auch in Österreich werden Erträge aus inländischen Investmentfonds geringer besteuert als Erträge aus ausländischen Fonds.
In beiden Fällen handelt es sich bei den förmlichen Aufforderungen um eine mit Gründen versehene Stellungnahme, der zweiten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG-Vertrag. Geht innerhalb von zwei Monaten keine zufriedenstellende Stellungnahme ein, kann die EU-Kommission den Europäischen Gerichtshof mit diesen Fällen befassen.
Die Europäische Kommission hat außerdem beschlossen, Frankreich förmlich um Auskünfte über Steuervergünstigungen zu bitten, die für französische Aktien gewährt werden. Diese Aufforderung erfolgt in Form eines Fristsetzungsschreibens, der ersten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG-Vertrag.
Österreich: Das österreichische Einkommensteuergesetz sieht Steuervergünstigungen für Gebietsansässige vor. Letztere unterliegen entweder einer Endbesteuerung von 25 Prozent ihrer Kapitalerträge (einschließlich Erbschaftsteuer) oder können beantragen, dass solche Erträge nur zur Hälfte des individuellen Grenzsteuersatzes besteuert werden (sogenanntes "Halbsatzverfahren"). In beiden Fällen gelten diese Steuervergünstigungen jedoch nicht für ausländische Erträge und somit auch nicht für solche aus ausländischen Investmentfonds. Der von der österreichischen Regierung zur Änderung dieser diskriminierenden Vorschriften vorgelegte Gesetzentwurf befindet sich noch in der parlamentarischen Beschlussfassungsphase.
Deutschland: Nach den im Oktober 2000 eingeführten und seit 2001 geltenden Vorschriften über die Dividendenbesteuerung in Deutschland wird die Körperschaftsteuer nicht mehr auf die Einkommensteuer der Anteilseigner angerechnet, sondern Unternehmen und Anteilseigner werden getrennt besteuert. Als Ausgleich für diese Form der Doppelbesteuerung wurde die Körperschaftsteuer um 25 Prozent gesenkt, und die Gewinnausschüttungen an die Anteilseigner sind nur zur Hälfte zu versteuern (sogenanntes "Halbeinkünfteverfahren"). Bei ausländischen Investmentfonds ist jedoch der gesamte Betrag der in den Gewinnausschüttungen enthaltenen Dividenden zu versteuern.
Darüber hinaus ist die in Deutschland übliche Unterscheidung der ausländischen Investmentfonds nach Struktur und Rechnungslegungsmethoden (sogenannte "weiße", "graue" und "schwarze" Fonds) und die daraus resultierende unterschiedliche steuerliche Behandlung nach Auffassung der Kommission insofern nicht mit dem EG-Vertrag vereinbar, als sie zu unverhältnismäßigen Belastungen für ausländische Investmentfonds führt.
Der Kommission wurde mitgeteilt, dass die deutsche Regierung ein neues Gesetz über die Besteuerung von Investmentfonds plant, das ab Jänner 2004 gelten soll; ein entsprechender Gesetzentwurf liegt aber noch nicht vor. Die Kommission begrüßt jedoch, dass der im Herbst 2002 vorgelegte Gesetzentwurf, mit dem die diskriminierende Besteuerung ausländischer Investmentfonds auch auf Kapitalerträge ausgedehnt worden wäre, zurückgezogen wurde, nachdem u. a. die EU-Kommission Bedenken dagegen vorgebracht hatte.
Der im Mai 1999 vorgelegte und im März 2000 auf der Tagung des Europäischen Rates von Lissabon angenommene Aktionsplan für Finanzdienstleistungen (JusGuide.mail berichtete) sieht für die Gewährleistung eines wirklichen Finanzbinnenmarktes u. a. die Beseitigung von steuerlichen Hindernissen und Verzerrungen vor.