Europäisches Parlament billigt Gesetzgebungspaket der Europäischen Kommission über genetisch veränderte Organismen
Das Europäische Parlament hat am 2. Juli 2003 in zweiter Lesung ein Gesetzgebungspaket der Europäischen Kommission über genetisch veränderte Organismen (GVO) verabschiedet, mit dem ein klares EU-System zur Verfolgung und Kennzeichnung von GVO sowie zur Regulierung des Inverkehrbringens und der Kennzeichnung von Lebens- und Futtermittelprodukten aus GVO geschaffen werden soll.
Die neuen Rechtsvorschriften sollen ein erweitertes zuverlässiges Konzept für GVO und genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel sicher stellen. Dieses soll die vollständige Rückverfolgbarkeit von GVOs vom "Stall zum Teller" ermöglichen und Verbrauchern umfassende Informationen durch Kennzeichnung aller Lebens- und Futtermittel, die einen GVO enthalten, daraus bestehen oder daraus hergestellt wurden, geben.
Die maßgeblichen Regelungen im Überblick:
.) RückverfolgbarkeitRückverfolgbarkeit stellt die Mittel zur Verfügung, GV-Produkte durch die gesamte Produktions- und Vertriebskette zurück zu verfolgen. Für bestimmte Produkte besteht der Grundsatz der Rückverfolgbarkeit bereits seit vielen Jahren. Spezifische Bestimmungen zur Rückverfolgbarkeit von Produkten, die GVO enthalten oder daraus hergestellt sind, gibt es jedoch derzeit nicht.
Rückverfolgbarkeit erleichtert die Beobachtung der Auswirkungen auf die Umwelt, die präzise Kennzeichnung und die Kontrolle der Kennzeichnungsangaben. Auch würde es zusätzlich die Marktrücknahme im Falle unerwarteter nachteiliger Wirkungen ermöglichen. Die neue Verordnung zur Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung wird von Unternehmen, die GV-Produkte benutzen oder weiterleiten, verlangen, die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten, indem auf jeder Stufe des Inverkehrbringens auf den Markt Informationen übermittelt und aufbewahrt werden. Angaben über das Vorhandensein von GVO sollen über die gesamte Handelskette weiterzugeben und fünf Jahre aufzubewahren sein. Die Industrie müsste daher Systeme einrichten, mit denen sich nachvollziehen lässt, wem und von wem GV-Produkte zur Verfügung gestellt werden.
Übermittlung und Speicherung der Informationen sollen die Notwendigkeit von Probenahmen und Tests verringern. Um ein koordiniertes Konzept für Inspektionen und Kontrolle durch die Mitgliedstaaten zu erleichtern, wird die Kommission vor der Anwendung der vorgeschlagenen Verordnung technische Leitlinien für Probenahme- und Testverfahren erarbeiten.
.) KennzeichnungDie Verordnung soll die bestehenden Kennzeichnungsbestimmungen erweitern auf:- alle aus GVO hergestellte Lebensmittel, unabhängig von der Nachweisbarkeit von aus GVO hergestellter DNA oder Proteinen im Endprodukt;- alle genetisch veränderten Futtermittel.
.) GV-LebensmittelBereits heute muss ein Händler Lebensmittel entsprechend kennzeichnen, die aus GVO bestehen oder diese enthalten. Dies umfasst auch Lebensmittel, die aus GVO hergestellt wurden, sofern Spuren von DNA oder Proteinen aus der genetischen Veränderung im Endprodukt nachweisbar sind (etwa Mehl aus genetisch verändertem Mais).
Die Kennzeichnungsbestimmungen gelten jedoch nicht für bestimmte Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten wie etwa hochraffiniertes Soja- oder Maisöl, die aus GV-Soja bzw. GV-Mais hergestellt sind. Mit den neuen Regelungen sollen die bestehenden Kennzeichnungsbestimmungen auch auf solche aus GVO hergestellten Lebensmittel (Soja- oder Maisöl aus GV-Soja bzw. GV-Mais) und Lebensmittelzutaten (Kekse mit Maisöl aus GV-Mais) ausgeweitet werden. Die Verbraucher sollen somit die Möglichkeit erhalten, frei zu entscheiden. Auf dem Etikett soll angeführt sein: "Dieses Produkt enthält genetisch veränderte Organismen" bzw. "... hergestellt aus genetisch verändertem (veränderter) (Name des Organismus)".
.) GV-FuttermittelDie Einigung soll erstmalig umfassende Kennzeichnungsvorschriften für GV-Futtermittel einführen, die den Grundsätzen für GV-Lebensmittel folgen. Derzeit gibt es keine Kennzeichnungsvorschriften für aus GVO hergestellte Futtermittel. Mit der neuen Vorschrift soll jedoch normiert werden, dass beispielsweise GV-Sojamehl und jedes Mischfuttermittel, das GV-Sojamehl enthält, zu kennzeichnen sind. Dies soll auch für Maiskleber aus genetisch verändertem Mais gelten.
.) Schwellenwerte für die KennzeichnungGeringfügige Spuren von GVO können in konventionellen Lebens- und Futtermitteln bei Anbau, Ernte, Transport und Verarbeitung auftreten. Vor diesem Hintergrund strebt die EU an, Rechtssicherheit zu gewährleisten und bestimmte Schwellenwerte festzulegen, ab denen konventionelle Lebens- und Futtermittel zu kennzeichnen sind, die aus GVO bestehen, diese enthalten oder daraus hergestellt wurden.
Nach den derzeitigen Bestimmungen muss das Vorhandensein von GV-Material in herkömmlichen Lebensmitteln nicht gekennzeichnet werden, wenn sein Anteil unter 1 % liegt und wenn nachgewiesen werden kann, dass sein Vorhandensein unbeabsichtigt und technisch unvermeidbar ist. Der Schwellenwert soll in Hinkunft nicht höher als 0,9 % sein.
.) GVO, die in der EU von Wissenschaftlern als sicher bewertet wurdenGemäß den aktuellen Bestimmungen gibt es keine Toleranzschwelle für das unbeabsichtigte Vorhandensein von GV-Material in Lebens- oder Futtermitteln, die noch nicht zugelassen wurden, für die aber eine positive wissenschaftliche Risikobewertung in der Europäischen Union vorliegt. Das Parlament hat am 2. Juli 2003 für das unbeabsichtigte oder technisch unvermeidbare Vorhandensein solchen GV-Materials einen Schwellenwert von 0,5 % unterstützt, sofern der Betreiber nachweisen kann, dass das Vorhandensein tatsächlich technisch unvermeidbar ist. Produkte, bei denen dieser Schwellenwert überschritten ist, sollen nicht in Verkehr gebracht werden dürfen. Diese Bestimmung soll nach drei Jahren auslaufen.
.) ZulassungsverfahrenEs existieren klare Regeln für die Bewertung und Zulassung von GVO und GV-Lebensmittel in der EU, aber die Zuständigkeiten sind zwischen Mitgliedstaaten und EU aufgeteilt. Die Verordnung soll daher ein Verfahren der "einheitlichen Anlaufstelle" für die wissenschaftliche Bewertung und die Zulassung von GVO und GV-Lebens- und Futtermitteln einführen, mit dem ein zentralisiertes, übersichtliches und transparentes EU-System entstehen soll, bei dem der Betreiber nur einen einzigen Antrag stellen wird müssen. Die Verordnung sieht vor, dass GVO, die in Lebens- und Futtermitteln eingesetzt werden können, nur entweder für beide Zwecke oder überhaupt nicht zugelassen werden können.
Die wissenschaftliche Bewertung soll von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit vorgenommen, die Analysen sollen veröffentlicht werden. Auf der Grundlage der Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit soll die Kommission einen Vorschlag erarbeiten, die Zulassung zu erteilen oder zu verweigern. Der Vorschlag soll dann, wie dies bereits jetzt geschieht, mit qualifizierter Mehrheit der Mitgliedstaaten in einem Regulierungsausschuss verabschiedet, zugelassene Produkte sollen in ein öffentliches Register von GV-Lebens- und Futtermitteln eingetragen werden. Die Zulassung soll für einen Zeitraum von zehn Jahren erteilt, gegebenenfalls ein Überwachungsplan nach dem Inverkehrbringen vorgeschrieben werden. Eine Verlängerung der Zulassungen um jeweils weitere zehn Jahre ist vorgesehen.
Das vereinfachte Verfahren für das Inverkehrbringen von GV-Lebensmitteln, die als im Wesentlichen gleichartig mit bestehenden Lebensmitteln angesehen werden, soll abgeschafft werden.
Bereits vorhandene GV-Produkte sollen auch weiter auf dem Markt bleiben können. Die Betreiber sollen jedoch verpflichtet werden, der Europäischen Kommission innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung Feststellungsverfahren zu übermitteln. Die Verordnung benennt das Gemeinsame Forschungszentrum der Kommission (GFZ) als neues Referenzlabor der Gemeinschaft, mit der Hauptaufgabe, Feststellungsverfahren zu validieren. Das GFZ soll auch weiterhin mit dem "Europäischen Netz der GVO-Laboratorien" zusammenarbeiten.
Auch bereits bestehende GVO-Produkte sollen in das öffentliche Register aufgenommen werden, auch für diese soll die Frist von zehn Jahren ab dem Tag des ersten Inverkehrbringens des Produkts gelten.
.) KoexistenzMaßnahmen, die sicher stellen, dass die Produktion von biologischem und konventionellem Getreide neben der Produktion von GV-Getreide koexistieren können, werden mit der Zweiten Lesung des Parlaments in das Gesetz zu GV-Lebensmittel und -Futtermittel eingeführt. In diesem Kontext wird es den Mitgliedstaaten ermöglicht, angemessene Aktionen zu ergreifen, um das nicht beabsichtigte Vorhandensein von GVOs in anderen Produkten zu verhindern.
Der Rat muss die Resultate der Zweiten Lesung noch bestätigen, bevor die Verordnungen 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten können. Unternehmen müssen neuen Bestimmungen zur Kennzeichnungspflicht sechs Monate nach dem Veröffentlichungsdatum Folge leisten.