11.05.2011 Wirtschaftsrecht

VwGH: Nebenrecht des § 32 Abs 1 Z 1 GewO bei Tätigkeiten, die einem reglementierten Gewerbe vorbehalten sind?

Das Nebenrecht des § 32 Abs 1 Z 1 GewO kommt auch bei Tätigkeiten, die einem reglementierten Gewerbe vorbehalten sind, zum Tragen; die Auffassung, wonach gem § 32 Abs 2 GewO die herangezogene Fachkraft selbst bereits die erforderliche Befugnis (und nicht bloß die entsprechende Befähigung) aufweisen muss, ist unzutreffend


Schlagworte: Gewerberecht, sonstige Rechte von Gewerbetreibenden, reglementierte Gewerbe, aus Gründen der Sicherheit, Fachkraft, Befugnis, Befähigung
Gesetze:

§ 32 GewO, § 94 GewO

GZ 2009/04/0018, 21.03.2011

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Bf über die Befugnis zur Durchführung der auftragsgegenständlichen Gerüstarbeiten verfügt.

Die Bf beruft sich im Hinblick auf diese Gerüstarbeiten auf ihre Gewerbeberechtigung als "Spengler, Dachdecker und Schwarzdecker" und das ihr in diesem Zusammenhang zustehende Nebenrecht gem § 32 Abs 1 Z 1 GewO.

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Auffassung, das Nebenrecht des § 32 Abs 1 Z 1 GewO komme bei Tätigkeiten, die einem reglementierten Gewerbe vorbehalten seien, nicht zur Anwendung. Die Bf wäre gem § 32 Abs 2 GewO gehalten gewesen, zumindest die Verfügung über eine "entsprechend ausgebildete und erfahrene" Fachkraft nachzuweisen oder eine entsprechende Subunternehmererklärung eines geeigneten Unternehmens vorzulegen.

VwGH: Der VwGH hat sich mit dem Nebenrecht nach § 32 Abs 1 Z 1 GewO zuletzt im Erkenntnis vom 5. November 2010, 2007/04/0210, beschäftigt und insbesondere festgehalten, dass es das Gesetz im Lichte der durch die Gewerberechtsnovelle 2002 intendierten Liberalisierung nicht mehr vorsieht, dass gewisse Leistungen auch in geringem Umfang nur von gewissen Gewerbetreibenden erbracht werden können und insoweit gefahrengeneigte Leistungen einem reglementierten Gewerbe vorbehalten sind. Vielmehr liegt es bei der Ausübung der Nebenrechte nach § 32 Abs 1 GewO gem § 32 Abs 2 zweiter Satz GewO in der Verantwortung des Gewerbetreibenden, durch die Heranziehung entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte die in dieser Bestimmung angeführte Sicherheit (ua für Leib und Leben von Betroffenen) zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang hat der VwGH auch auf die Strafbestimmung des § 367 Z 33 GewO hingewiesen.

Im Beschwerdefall ist die Auffassung der belangten Behörde, die vorliegend strittigen Leistungen können ausgehend von ihrem Anteil an der Angebotssumme (weniger als 1 %) als Leistungen anderer Gewerbe in geringem Umfang iSd § 32 Abs 1 Z 1 GewO angesehen werden, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Es ist auch unstrittig, dass die strittigen Leistungen die eigenen Leistungen der Bf iSd § 32 Abs 1 Z 1 GewO wirtschaftlich sinnvoll ergänzen.

Jedoch erweist sich die Auffassung der belangten Behörde, das Nebenrecht des § 32 Abs 1 Z 1 GewO komme bei Tätigkeiten, die einem reglementierten Gewerbe vorbehalten seien, nicht zum Tragen, vor dem Hintergrund des obzitierten Erkenntnisses vom 5. November 2010 als nicht zutreffend.

Auch die Auffassung der belangten Behörde, wonach gem § 32 Abs 2 GewO die herangezogene Fachkraft selbst bereits die erforderliche Befugnis (und nicht bloß die entsprechende Befähigung) aufweisen muss, ist aus folgenden Erwägungen unzutreffend:

Wie der VwGH in dem zitierten Erkenntnis ausgeführt hat, liegt es bei der Ausübung der Nebenrechte nach § 32 Abs 1 GewO gem § 32 Abs 2 zweiter Satz GewO in der Verantwortung des Gewerbetreibenden, durch die Heranziehung entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte die in dieser Bestimmung angeführte Sicherheit (ua für Leib und Leben von Betroffenen) zu gewährleisten. Es handelt sich also bei dieser Bestimmung - wie schon ihr Wortlaut zeigt (arg: "Bei der Ausübung der Rechte") - um keine Vorschrift über die Gewerbeberechtigung und somit die Befugnis (iSd §§ 69 bis 71 BVergG 2006), sondern um eine Vorschrift über die Ausübung des Gewerbes. Auch die Strafbestimmung des § 367 Z 33 GewO zeigt, dass der Gesetzgeber der GewO in diesem Zusammenhang davon ausgeht, dass der Gewerbeinhaber in der Regel als Fachkräfte Arbeitnehmer beschäftigt, die - so die Bestimmung ausdrücklich - die "erforderliche Eignung" besitzen und schon begrifflich nicht eine eigene Gewerbeberechtigung und Befugnis aufweisen.