VwGH: Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer - erfordert die entsprechende Betätigung im Betrieb iSd § 39 Abs 2 GewO die persönliche Anwesenheit oder kann auf Möglichkeiten der Telekommunikation zurückgegriffen werden?
Der bestellte Geschäftsführer kann - im Einzelfall - seine Aufsichtspflichten und seine Verantwortung nicht nur ausschließlich bei persönlicher Anwesenheit im Betrieb, sondern auch durch die täglichen Kontakte mit elektronischen Medien wie etwa Videokonferenzen, wahrnehmen
§ 39 GewO
GZ 2006/04/0038, 27.01.2010
Die belangte Behörde hat die Bestellung des H zum gewerberechtlichen Geschäftsführer der Bf im Wesentlichen deshalb untersagt, weil dieser nach Ansicht der belangten Behörde nicht in der Lage sei, sich im Betrieb der Bf "entsprechend zu betätigen", sodass § 39 Abs 2 erster Satz GewO nicht erfüllt sei. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Geschäftsführer in der Lage sei, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, sei nämlich nach Ansicht der belangten Behörde ausschließlich darauf abzustellen, ob bzw wie oft der Betreffende persönlich im Betrieb anwesend sei.
Dem gegenüber vertritt die Beschwerde den Rechtsstandpunkt, dass eine entsprechende Betätigung im Gewerbebetrieb iS der letztgenannten Bestimmung nicht nur im Rahmen der persönlichen Anwesenheit möglich sei, sondern auch im Wege der heutzutage fast unbegrenzten Möglichkeiten elektronischer Medien, wie insbesondere E-Mail, Fax, Videotelefonkonferenzen und PC. Mit diesen Kommunikationsmöglichkeiten könne der zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellte H ohne Schwierigkeiten beispielsweise einlangende Schriftstücke umgehend erhalten, ausgehende Schriftstücke vor ihrer Versendung (auch kurzfristig) prüfen, allenfalls auch elektronisch eingehend überarbeiten, all dies gegebenenfalls nach einer telefonischen Rücksprache mit dem zuständigen Mitarbeiter.
VwGH: Nach stRsp des VwGH ist bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes der "entsprechenden" Betätigungsmöglichkeit eines Geschäftsführers iSd § 39 Abs 2 GewO in erster Linie auf die Bestimmungen der Abs 1 und 5 des § 39 leg cit Bedacht zu nehmen, aus denen hervorgeht, dass der bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer der Behörde gegenüber anstelle des Gewerbeinhabers für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist. Daraus ergibt sich - iZm der Art der von dem jeweils in Betracht kommenden Gewerbe umfassten Tätigkeit - auch das Ausmaß des erforderlichen Betätigungsumfanges des Geschäftsführers. Eine entsprechende Betätigung kann danach nur angenommen werden, wenn durch sie eine gesetzmäßige Gewerbeausübung sichergestellt und somit unter Bedachtnahme auf die im Einzelfall in Betracht zu ziehende gewerberechtliche Betätigung die bloße Scheinerfüllung dieses Erfordernisses ausgeschlossen wird. Es muss somit unter Bedachtnahme auf die Art bzw auf den Umfang des Gewerbebetriebes und auf die Lebensumstände des Geschäftsführers die Beurteilung gerechtfertigt sein, dass der Geschäftsführer zu einer derartigen Betätigung in der Lage ist.
Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist daher im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Betätigung des H im Unternehmen der Bf - va auch im Hinblick auf die Art des Gewerbes (Handelsgewerbe und Handelsagentengewerbe bzw Erbringung von Dienstleistungen in der ADV) - eine ausreichende Wahrnehmung der Verantwortung des Geschäftsführers gegenüber der Behörde für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften ermöglicht.
Zu beachten ist im gegebenen Zusammenhang auch der durch die Novelle BGBl I Nr 88/2000 eingefügte § 39 Abs 2a GewO. Nach dieser in Reaktion auf das Urteil des EuGH vom 7. Mai 1998, Rs C-350/96, ergangenen, eine Diskriminierung von Gemeinschaftsbürgern hintanhaltenden Bestimmung besteht das Erfordernis eines inländischen Wohnsitzes in einem Fall wie dem vorliegenden (der bestellte Geschäftsführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland und hat seinen Wohnsitz ebenda) zufolge lit b der letztgenannten Bestimmung nicht. Die Gesetzesmaterialien führen zu § 39 Abs 2a GewO übereinstimmend aus:"Nach wie vor uneingeschränkt gültig ist die Vorschrift, dass der Geschäftsführer in der Lage sein muss, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen. Die Behörde wird somit zu beurteilen haben, inwiefern dieser Vorschrift entsprochen werden kann, wenn sich der Wohnsitz des Geschäftsführers in großer Entfernung von dem Unternehmen befindet, zu dessen Geschäftsführer er bestellt werden soll."
Vor diesem Hintergrund ist daher auch gegenständlich - mit Blick auf die Art des ausgeübten Gewerbes und die Besonderheiten des Betriebes der Bf - zu prüfen, ob der zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellte H (unbeschadet seines Wohnsitzes in Deutschland) in der Lage ist, sich im Betrieb der Bf entsprechend zu betätigen. Im konkreten Fall übt die Bf unstrittig die freien Gewerbe Handels- und Handelsagentengewerbe sowie die Erbringung von Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik aus, und zwar ausschließlich am Betriebsstandort. Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Bf erbringt diese keine Leistungen am Ort des Kunden, wie etwa einen Computernotdienst, und keine Einzelleistungen bzw Einzellieferungen an Endverbraucher. Die belangte Behörde geht somit selbst davon aus, dass das gesamte wesentliche Betriebsgeschehen der Bf an ihrem Betriebsstandort abläuft, wobei die Bf nicht einmal eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage betreibt. Angesichts dieser Umstände vermag der VwGH die Rechtsansicht der belangten Behörde, der bestellte Geschäftsführer könne seine Aufsichtspflichten und seine Verantwortung ausschließlich bei persönlicher Anwesenheit im Betrieb, nicht aber durch die täglichen Kontakte mit elektronischen Medien wie etwa Videokonferenzen wahrnehmen, nicht zu teilen. Auch die belangte Behörde zeigt nämlich gegenständlich keine konkreten Gefahren oder Verantwortungslücken auf, die sich durch die nicht ständige persönliche Anwesenheit des Geschäftsführers ergeben könnten. Der VwGH vermag bei diesen Gegebenheiten aber auch nicht zu erkennen, dass das Ausmaß der persönlichen Anwesenheit des Geschäftsführers im Betrieb der Bf (20 bis 30 Stunden pro Monat) nicht ausreiche, um (gemeinsam mit den täglichen Kontrollen auf elektronischem Weg) eine entsprechende Betätigung iSd § 39 Abs 2 GewO vornehmen zu können.