05.01.2011 Verwaltungsstrafrecht

VwGH: Ansuchen um Überstellung in eine andere Anstalt nach § 71 Abs 1 und 2 StVG - Administrativbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen?

Die Entscheidung des Anstaltsleiters nach § 71 Abs 1 und 2 StVG kann auch im Weg der Administrativ- und nicht nur mittels Aufsichtsbeschwerde bekämpft werden


Schlagworte: Strafvollzugsrecht, Überstellung in eine andere Anstalt, Ansuchen, öffentliche Krankenanstalt, Administrativbeschwerde, Aufsichtsbeschwerde
Gesetze:

§ 71 StVG, §§ 119 ff StVG

GZ 2010/06/0128, 13.10.2010

Mit Eingabe vom 21. September 2009 ersuchte der Untergebrachte um Gewährung eines stationären Rehabilitationsaufenthaltes im "orthopädischen Krankenhaus F", was er unter Hinweis auf eine medizinische Notwendigkeit näher begründete. Das Ansuchen des Untergebrachten wurde mit Entscheidung des Anstaltsleiters vom 5. Februar 2010 gem § 71 Abs 2 StVG abgelehnt, weil es sich bei jenem Krankenhaus um eine Steiermärkische Privatkrankenanstalt handle und nicht um ein öffentliches Krankenhaus.

Die belangte Behörde hat die Administrativbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen, was sie damit begründete, dass ein Rehabilitationsaufenthalt Inhalt einer ärztlichen Heilbehandlung sei und sich somit gem § 120 Abs 1 zweiter Satz StVG der rechtsförmigen Beschwerde an die Vollzugskammer entziehe.

Die bf Vollzugsdirektion bringt vor, die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht erscheine insoweit verfehlt, als Beschwerden gem § 121 Abs 1 StVG über medizinische Behandlungen dann den Charakter einer Administrativbeschwerde erführen, wenn der Anstaltsleiter entgegen einer ärztlichen Empfehlung entscheide. Im Übrigen bestehe gem § 71 Abs 1 und 2 StVG ein subjektiv-öffentliches Recht des Strafgefangenen auf Überstellung in eine geeignete öffentliche Krankenanstalt, wenn er in einer Haftanstalt nicht sachgemäß behandelt werden könne. Er sei in der Krankenanstalt erforderlichenfalls auch bewachen zu lassen. Die für die Unterbringung in einer öffentlichen Krankenanstalt anfallenden Kosten trage der Bund. Die Entscheidung des Anstaltsleiters nach § 71 Abs 1 und 2 StVG könne auch im Weg der Administrativ- und nicht nur mittels Aufsichtsbeschwerde bekämpft werden.

Die Beschwerde des Untergebrachten sei jedenfalls dahin zu verstehen, dass sie sich gegen eine Entscheidung des Leiters der JA nach § 71 Abs 2 StVG richte, die im Widerspruch zu einer dringenden Empfehlung des Anstaltsarztes stehe. Das, worüber die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid entschieden habe, sei demnach keine Beschwerde über die "Art der ärztlichen Behandlung" iSd § 120 Abs 1 StVG, sondern eine Beschwerde über die Berechtigung eines Antrages gem § 71 Abs 2 StVG. Die Beschwerde sei daher nicht unzulässig. Vielmehr wäre sie meritorisch umfassend, auch im Hinblick auf den behaupteten öffentlichen Status der in Frage kommenden Krankenanstalt zu prüfen gewesen.

VwGH: § 71 Abs 1 und 2 StVG gelten auch für Personen, die gem § 21 Abs 2 StGB untergebracht sind.

Die Bf ist gem § 121 Abs 5 StVG zur Amtsbeschwerde nach Art 131 Abs 2 B-VG berechtigt. Obwohl davon ausgegangen werden kann, dass sie im Rahmen ihrer Kompetenz gem § 12 Abs 2 StVG durchaus in der Lage wäre, den vom Untergebrachten geltend gemachten Anspruch zu erfüllen, ist sie im Rahmen der Amtsbeschwerde befugt, die Frage der objektiven Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides an den VwGH heranzutragen.

Die Beschwerde ist berechtigt. Bei der vom Untergebrachten bekämpften Entscheidung vom 5. Februar 2010 handelt es sich um eine solche, die vom Anstaltsleiter alleine getroffen wurde und nicht etwa vom Anstaltsarzt oder vom Anstaltsleiter im Zusammenwirken mit dem Anstaltsarzt, was sich schon daraus ergibt, dass der Anstaltsarzt die vom Untergebrachten angestrebte (aber vom Anstaltsleiter abgelehnte) Maßnahme befürwortet hatte. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich hier um eine Frage der "Art der medizinischen Behandlung" handelt, weil es primär darum geht, ob eine Behandlung des Untergebrachten in oder außerhalb der JA zu erfolgen hat. Das diesbezügliche Kriterium ist die "sachgemäße Behandlung" (§ 71 Abs 2 StVG) und zu dieser Frage ist ein Gutachten eines Arztes einzuholen. Aus § 71 Abs 2 StVG ergibt sich jedenfalls die Beschwerdelegitimation (hier des Untergebrachten) nach § 120 Abs 1 erster Satz StVG. Die belangte Behörde hätte daher die Beschwerde des Untergebrachten inhaltlich behandeln müssen.