VwGH: Zur Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers in einem Verfahren nach SPG
Bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Beigebung eines Verfahrenshelfers iZm dem Kriterium der "zweckentsprechenden Verteidigung" sind primär die Bedeutung und Schwere des Delikts und die Schwere der drohenden Sanktion zu berücksichtigen; darüber hinaus ist insbesondere die Komplexität des Falles ausschlaggebend, wobei auf die Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art (hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellung) Bedacht zu nehmen ist
§ 51a VStG
GZ 2009/17/0095, 08.09.2009
Der Antrag des Bf auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers in einem Berufungsverfahren gegen das Straferkenntnis der BH Korneuburg wegen Übertretung des § 82 Abs 1 SPG (aggressives Verhalten) wurde gem § 51a Abs 1 VStG abgewiesen. Die belangte Behörde wies darauf hin, dass als Gründe für die Beigebung eines Verteidigers besondere Schwierigkeiten der Sach- oder Rechtslage, besondere persönliche Umstände des Beschuldigten und die besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei (wie etwa die Höhe der dem Beschuldigten drohenden Strafe) zu berücksichtigen seien. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten seien jedoch im Beschwerdefall nicht gegeben, es sei dem Bf lediglich die Verwaltungsübertretung des aggressiven Verhaltens gegenüber eingeschrittenen Beamten gem § 82 Abs 1 SPG vorgeworfen worden und lediglich eine Strafe von EUR 70,-- verhängt worden.
VwGH: Die Voraussetzungen der Mittellosigkeit und des "Interesses der Verwaltungsrechtspflege" müssen kumulativ vorliegen.
§ 51a VStG, der die sich aus Art 6 EMRK ergebenden Anforderungen an das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich der Gewährung der Verfahrenshilfe im nationalen Recht umsetzen soll, ist schon im Hinblick auf die gebotene verfassungskonforme Interpretation im Lichte der Rechtsprechung des EGMR auszulegen. Nach der Rechtsprechung des EGMR sind bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Beigebung eines Verfahrenshelfers iZm dem Kriterium der "zweckentsprechenden Verteidigung" primär die Bedeutung und Schwere des Delikts und die Schwere der drohenden Sanktion zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist insbesondere die Komplexität des Falles ausschlaggebend, wobei auf die Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art (hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellung) Bedacht zu nehmen ist.
Die Beschwerde zeigt nicht auf, in welcher Weise der Bf sich in einer besonderen Situation befände, auf Grund derer ungeachtet des eher minder gravierenden Charakters der Übertretung und der niedrigen verhängten Geldstrafe das Interesse der Verwaltungsrechtspflege die Beigebung eines Verteidigers erforderlich machte bzw mit der vorliegenden Bestrafung für ihn eine besondere Rechtsfolge verbunden wäre. Die in der hg Rechtsprechung als möglicher Grund für die Beigebung eines Verfahrenshelfers anerkannten "persönlichen Umstände" müssen solche sein, die eine zweckentsprechende Verteidigung der Rechte des Beschuldigten im Verfahren ohne Beigebung eines Verteidigers nicht als gewährleistet erscheinen ließen.
Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass das Fehlen der Mutwilligkeit allein nach § 51a VStG auch im Lichte des Art 6 Abs 3 lit c EMRK und der hiezu ergangenen Rechtsprechung noch nicht notwendiger Weise zur Bewilligung der Verfahrenshilfe führt. Die dargestellten Beurteilungsgrundsätze sind vielmehr auch in Fällen anzuwenden, in denen nicht von einer mutwilligen Erhebung der Beschwerde gesprochen werden kann.