VwGH: Ist die bloße Erteilung von Rechtsauskünften unter die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung gem § 8 Abs 2 RAO zu subsumieren ?
Der Begriff der Parteienvertretung umfasst nicht bloß die Vertretung vor Behörden oder Gerichten, sondern ua auch die Vertretung eines Klienten in Rechtsangelegenheiten gegenüber Dritten im Zuge einer vor- oder nachprozessualen Korrespondenz
§ 8 RAO, § 57 Abs 2 RAO
GZ 2006/06/0125, 23.10.2007
Die belangte Behörde führt aus, dass den Rechtsanwälten nach § 8 Abs 2 RAO nur die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung vorbehalten sei. Angelastet sei der Mitbeteiligten jedoch nur gewerbsmäßig rechtliche Auskünfte erteilt zu haben. Die bloße Erteilung von Rechtsauskünften sei jedoch einer Parteienvertretung (vor Gerichten oder Behörden) nicht a priori gleichzuhalten.
VwGH: Die belangte Behörde hat zu Unrecht vertreten, dass die bloße Erteilung von Rechtsauskünften nicht unter die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung gem § 8 Abs 2 RAO subsumiert werden könne, und die Vertretung von Parteien das prozessuale Handeln für eine andere Person in einem konkreten Verfahren voraussetze. Der VwGH hat bereits zu § 57 Abs 2 RAO (siehe das Erkenntnis vom 4. Dezember 1998, Zl. 97/19/1553) ausgesprochen, dass diese Strafbestimmung darauf abziele, dass unbefugte Personen von der gewerbsmäßigen Erbringung auch nur einzelner aus dem Gesamtspektrum der den Rechtsanwälten vorbehaltenen Tätigkeiten abgehalten werden solle. Zur Verwirklichung des Tatbildes des § 57 Abs 2 iVm. § 8 RAO sei es nicht erforderlich, dass der Täter gewerbsmäßig iSe umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung tätig werde, also alle den Rechtsanwälten vorbehaltenen Tätigkeiten gewerbsmäßig ausübe. Es genüge vielmehr die gewerbsmäßige Ausübung einzelner oder auch nur einer einzigen derartigen Tätigkeit. Andernfalls wäre die Bestimmung des § 8 Abs 2 zweiter Satz RAO, wonach durch den ersten Satz des zitierten Gesetzesbestimmung die Berufsbefugnisse von Notaren, Patentanwälten, Wirtschaftstreuhändern und Ziviltechnikern unberührt blieben, obsolet, würden doch gerade diese Berufsgruppen nicht iSe umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung tätig. Der Begriff der Parteienvertretung umfasst nach der in diesem Erkenntnis vertretenen Auffassung des VwGH ausgehend vom Wortlaut des § 8 Abs 2 RAO ("die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten") nicht bloß die Vertretung vor Behörden oder Gerichten, sondern ua auch die Vertretung eines Klienten in Rechtsangelegenheiten gegenüber Dritten im Zuge einer vor- oder nachprozessualen Korrespondenz.