VwGH: Ausländische Lenkberechtigungen - Erteilung einer österreichischen Lenkberechtigung gem § 23 Abs 3 FSG
Die Führerscheinbehörde hat in ihrer Beweiswürdigung nachvollziehbar darzulegen, ob sie auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens davon ausgeht, der Antragsteller sei im Besitz einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung oder ob dies ihrer Meinung nach nicht der Fall sei; bloße "Zweifel" reichen aber nicht aus, um vom Fehlen der in Rede stehenden Tatbestandsvoraussetzung auszugehen; enthält das Ansuchen des Antragstellers nicht die nach den Rechtsvorschriften erforderlichen Angaben und Beilagen, so stellt dies einen Mangel iSd § 13 Abs 3 AVG dar, dessen Behebung die Behörde von Amts wegen zu veranlassen hat
§ 23 Abs 3 FSG, § 13 Abs 3 AVG
GZ 2009/11/0272, 23.11.2010
Der Bf, ein Staatsangehöriger der Republik Inguschetien (Russische Föderation), hat seinen Hauptwohnsitz seit dem 12. Dezember 2007 in Österreich. Mit formularmäßigem Antrag vom 19. März 2009 erklärte der Bf, er wolle für mindestens weitere sechs Monate in Österreich wohnen und beantrage daher bei der Bundespolizeidirektion den "Austausch" seines russischen Führerscheines für die Klassen B und C. Gleichzeitig erklärte sich der Bf einverstanden, dass sein russischer Führerschein zum Zwecke der kriminaltechnischen Untersuchung bei der Behörde verbleibe.
VwGH: Gem 23 Abs 3 erster Halbsatz FSG setzt die Erteilung einer (österreichischen) Lenkberechtigung den Besitz einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung voraus. Nur wenn das Ermittlungsverfahren ergibt, dass der Antragsteller Besitzer einer solchen Lenkberechtigung ist, kann ihm nach dieser Bestimmung die Lenkberechtigung erteilt werden. Daraus folgt, dass die Führerscheinbehörde in ihrer Beweiswürdigung nachvollziehbar darzulegen hat, ob sie auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens davon ausgeht, der Antragsteller sei im Besitz der genannten ausländischen Lenkberechtigung oder ob dies ihrer Meinung nach nicht der Fall sei. Zu letztgenanntem Ergebnis kann die belangte Behörde in einem Fall, in dem ihr ein ausländischer Führerschein vorgelegt wird, insbesondere dann gelangen, wenn triftige Gründe gegen die Echtheit dieses Dokumentes sprechen. Diesbezügliche bloße "Zweifel" reichen aber nicht aus, um vom Fehlen der in Rede stehenden Tatbestandsvoraussetzung auszugehen.
Im Erkenntnis vom 20. September 2001, 2000/11/0331, hat der VwGH iZm § 23 Abs 3 FSG ausgeführt:"Wichtigstes Beweismittel in diesem Zusammenhang ist regelmäßig der Führerschein, also die über die Berechtigung von der ausländischen Kraftfahrbehörde ausgestellte Urkunde. Der Beweis kann aber auch auf jede andere Weise erbracht werden, die geeignet ist, die Überzeugung vom Besitz der genannten Lenkberechtigung zu verschaffen. Wenn die Behörde - wie im vorliegenden Fall auf Grund des Ergebnisses einer kriminaltechnischen Untersuchung des Führerscheines - davon ausgehen muss, dass es sich bei dem ihr vorgelegten Führerschein um eine Fälschung handelt, hat sie dies dem Antragsteller bekannt zu geben und ihn aufzufordern, andere geeignete Unterlagen vorzulegen, insbesondere solche betreffend die von ihm absolvierte Ausbildung und die von ihm erfolgreich abgelegte Prüfung. Insoweit trifft die Partei im Erteilungsverfahren eine spezifische Mitwirkungspflicht, deren Verletzung zur Versagung der beantragten Lenkberechtigung führen kann."
Die belangte Behörde meint, der Bf habe es überdies unterlassen, den Nachweis gem § 23 Abs 3 Z 4 FSG betreffend seine fachliche Befähigung durch eine praktische Fahrprüfung zu erbringen. Richtig ist zwar, dass die vom Bf beantragte Lenkberechtigung nur dann zu erteilen ist, wenn er seine fachliche Befähigung durch eine praktische Fahrprüfung nachgewiesen hat (die alternative Tatbestandsvoraussetzung der Z 5 leg cit gelangt gegenständlich nicht zur Anwendung, weil die Russische Föderation in § 9 der auf § 23 Abs 3 Z 5 FSG beruhenden Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung nicht genannt ist) und dass der Bf einen solchen Nachweis nicht vorgelegt hat.
Enthielt das Ansuchen des Bf aber nicht die nach den Rechtsvorschriften erforderlichen Angaben und Beilagen, so stellte dies einen Mangel iSd § 13 Abs 3 AVG dar, dessen Behebung die Behörde von Amts wegen zu veranlassen hatte. Zu einer Versagung der Lenkberechtigung (richtig: Zurückweisung des Ansuchens gem § 13 Abs 3 AVG) wegen unterlassener Beibringung des gesetzlich geforderten Nachweises der fachlichen Befähigung durfte die belangte Behörde daher erst gelangen, nachdem sie den Bf unter Setzung einer angemessenen Frist zur Vervollständigung seines Ansuchens aufgefordert und ihn auf die Rechtsfolgen des fruchtlosen Verstreichens dieser Frist aufmerksam gemacht hatte. Im vorliegenden Fall war aber, abgesehen von einem Schreiben der Erstbehörde vom 27. Mai 2009, in dem ganz allgemein auf die Notwendigkeit der abzulegenden Fahrprüfung hingewiesen wurde (dieses Schreiben beinhaltet aber weder eine Aufforderung noch eine Frist zur Vorlage und kann daher nach dem zitierten Erkenntnis nicht als Auftrag gem § 13 Abs 3 AVG angesehen werden), die Tatbestandsvoraussetzung des § 23 Abs 3 Z 4 FSG gar nicht Thema des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens.