27.04.2011 Verfahrensrecht

VwGH: Wiederaufnahme gem § 69 AVG

Eine gerichtliche Entscheidung ist weder Beweismittel noch Tatsache iSd § 69 Abs 1 Z 2 AVG


Schlagworte: Wiederaufnahme, erschlichen, neue Tatsachen / Beweismittel, gerichtliche Entscheidung, Sachverständige
Gesetze:

§ 69 AVG

GZ 2010/09/0198, 24.02.2011

Der Bf hat im Wiederaufnahmeverfahren und der Beschwerde im Hinblick auf den "Erschleichungstatbestand" des § 69 Abs 1 Z 1 AVG vorgebracht, der Bescheid sei durch "falsche Zeugenaussagen" zustande gekommen. Diese beruhten auf der "Grundlage eines völlig unrichtigen Vorverständnisses in ... komplizierten Steuerangelegenheiten", durch die "unrichtigen Angaben der befangenen und voreingenommenen Zeugen" sei der Disziplinarsenat "in wesentlichen Punkten irre geführt" worden. Der Bf erläuterte dazu, das "unrichtige Vorverständnis" habe sich durch die in der Folge nach Erlassung des Bescheides vom 28. Mai 2001 ergangenen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entscheidungen in den Steuerangelegenheiten gezeigt, weil in diesen Entscheidungen die vom Bf vertretene Rechtsmeinung geteilt worden sei.

VwGH: Der absolute Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs 1 Z 1 letzter Fall AVG setzt voraus, dass der Bescheid erschlichen worden ist, was - neben anderen Bedingungen - auch beinhaltet, dass das Verhalten in Irreführungsabsicht gesetzt wurden. Eine von den vom Bf angesprochenen Zeugen und Sachverständigen ausgeführte Rechtsansicht in "komplizierten Steuerangelegenheiten", die auch von mit der Sachmaterie befassten Behörden vertreten wird und sich nach den Angaben des Bf erst in nachfolgenden Verfahren als unrichtig erwiesen habe, wird jedenfalls nicht in Irreführungsabsicht gesetzt. Schon deshalb erübrigt es sich näher zu prüfen, ob der Wiederaufnahmetatbestand des "falschen Zeugnisses ... erschlichen" überhaupt auf Aussagen und Stellungnahme der vom Bf angegriffenen Zeugen und "Sachverständigen" zutreffen kann.

Tatsachen, die bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemacht wurden, können jedenfalls keinen Wiederaufnahmegrund nach dieser Bestimmung begründen. Dies gilt auch für Vorbringen, die im Wesentlichen nur eine Wiederholung von bereits während des ersten Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Umständen oder eine Bekämpfung der von der Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung enthalten. Der Bf bringt aber keine Tatsachen vor, die aus den ihm nunmehr zugekommenen Unterlagen neu hervorgekommen seien, sondern wiederholt seine Verantwortung im Disziplinarverfahren und bekämpft die von der Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Auch der VwGH kann aus dem Inhalt der vorgelegten neuen Unterlagen keine neu hervorgekommenen Tatsachen iSd § 69 Abs 1 Z 2 AVG erkennen.

Eine gerichtliche Entscheidung ist weder Beweismittel noch Tatsache iSd § 69 Abs 1 Z 2 AVG: "Tatsache" kann nur ein Element jenes Sachverhaltes sein, der von der Behörde des wiederaufzunehmenden Verfahrens zu beurteilen war. Darunter fällt nicht eine spätere rechtliche Beurteilung eben dieses Sachverhaltes. Als "Beweismittel" kommt daher nicht die gerichtliche Entscheidung selbst, sondern kommen allenfalls darin verwertete "neu hervorgekommene Beweismittel" in Frage.

Neue Schlussfolgerungen oder ein Irrtum eines Sachverständigen können - entgegen neuer Befundergebnisse - keinen Wiederaufnahmegrund bilden.