16.03.2011 Verfahrensrecht

VwGH: Zum Beweisverfahren

Auf Grund des Prinzips der Unbeschränktheit der Beweismittel (§ 46 AVG) kann die Behörde auch amtliche Niederschriften über die bereits vor der Unterbehörde, vor anderen Behörden, aber auch vor Gerichten erfolgten Einvernahmen von Zeugen dem Beweisverfahren zu Grunde legen


Schlagworte: Beweisverfahren, Beweiswürdigung, Zeugeneinvernahme
Gesetze:

§§ 45 ff AVG

GZ 2007/08/0250, 22.12.2010

VwGH: Dem Verfahrenskonzept des AVG liegt grundsätzlich nicht der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme zu Grunde. Auf Grund des Prinzips der Unbeschränktheit der Beweismittel (§ 46 AVG) kann die Behörde daher auch amtliche Niederschriften über die bereits vor der Unterbehörde, vor anderen Behörden, aber auch vor Gerichten erfolgten Einvernahmen von Zeugen dem Beweisverfahren zu Grunde legen. Sie hat die Beweismittel nach Gewährung von Parteiengehör hiezu - wie auch andere - zu würdigen und allfällige Widersprüche - soweit sie Tatsachen betreffen, die für die Wahrheitsfindung im konkreten Fall bedeutsam sind - auf geeignete Weise aufzuklären oder im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu verwerten. Die neuerliche Einvernahme von Zeugen ist nur zu neuem, für die Entscheidung wesentlichem Vorbringen der Parteien geboten. Auch das Auftreten von Ungereimtheiten oder gar Widersprüchen mit anderen zwischenzeitig vorliegenden Beweisergebnissen verpflichtet die Behörde nicht zur neuerlichen Einvernahme der Zeugen. Es ist vielmehr Aufgabe der Behörde, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit solchen Beweisergebnissen auseinander zu setzen.

Wenn die bf Parteien in der Übernahme von Feststellungen aus dem Urteil des ASG Wien eine "Aktenwidrigkeit" erblicken und damit der Sache nach lediglich die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpfen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den VwGH zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des VwGH, nicht aber deren konkrete Richtigkeit.