25.08.2010 Verfahrensrecht

VwGH: Säumnisbeschwerde nach Art 132 B-VG (hier: iZm Baurecht) - Erfüllung der Entscheidungspflicht bei Beschlussfassung des Gemeinderates, wobei eine Ausfertigung dieses Beschlusses bzw eine Bescheiderlassung nicht erfolgte?

Erst mit seiner Erlassung erlangt der Bescheid rechtliche Existenz, mit der nach außen gerichteten Mitteilung wandelt sich der interne Akt der Willensbildung in den in Bescheidform gekleideten Verwaltungsakt; solange eine Mitteilung nach außen nicht erfolgt ist, können auch dann, wenn der Bescheidinhalt bereits durch den Beschluss einer Kollegialbehörde gegeben ist, die Bestimmungen des AVG über die Bescheide noch keine Anwendung finden; solange ein Bescheid nicht zugestellt worden ist, kann er keine Rechtswirkungen nach außen entfalten


Schlagworte: Säumnisbeschwerde, Verletzung der Entscheidungspflicht, Beschlussfassung des Gemeinderates
Gesetze:

Art 132 B-VG, § 27 VwGG, § 73 Abs 2 AVG, § 56 AVG, § 62 Abs 1 AVG

GZ 2008/05/0023, 06.07.2010

VwGH: Gem Art 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Diese Voraussetzung ist auf Seiten der Bf zu bejahen, weil § 23 Kärntner Bauordnung den Antragstellern Parteistellung im Baubewilligungsverfahren zubilligt.

Gem § 27 VwGG kann Säumnisbeschwerde erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden kann, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Diese Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Auf Grund der ex tunc Wirkung der hier ergangenen aufhebenden Entscheidung der Vorstellungsbehörde befand sich das Verfahren wieder in jenem Stadium, wie es sich auf Grund des Devolutionsantrages vom 19. Juni 2006 befunden hat; somit war wieder der Gemeinderat zur Entscheidung über das Bauansuchen verpflichtet. Der Vorstellungsbescheid ist am 16. April 2007 bei der Gemeinde eingelangt; zu diesem Zeitpunkt begann die Entscheidungspflicht nach § 73 Abs 2 AVG neu zu laufen.

Trotz Beschlussfassung des Gemeinderates am 2. Oktober 2007 kann von einer Erfüllung der Entscheidungspflicht keine Rede sein. Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 23. Juli 2009, 2007/05/0139, zu einem insoweit vergleichbaren Fall (ein Gemeinderatsbeschluss wurde zunächst nicht ausgefertigt) ausgeführt, für das Zustandekommen eines Bescheides sei es erforderlich, dass er erlassen werde. Erst mit seiner Erlassung erlange der Bescheid rechtliche Existenz, mit der nach außen gerichteten Mitteilung wandle sich der interne Akt der Willensbildung in den in Bescheidform gekleideten Verwaltungsakt. Solange eine Mitteilung nach außen nicht erfolgt sei, könnten auch dann, wenn der Bescheidinhalt bereits durch den Beschluss einer Kollegialbehörde gegeben sei, die Bestimmungen des AVG über die Bescheide noch keine Anwendung finden. Solange ein Bescheid nicht zugestellt worden sei, könne er keine Rechtswirkungen nach außen entfalten.

Die am 25. Jänner 2008 beim VwGH eingelangte Säumnisbeschwerde ist daher zulässig. Die Entscheidungspflicht über den Devolutionsantrag und das Bauansuchen ist an den VwGH übergegangen. Ein Grund für eine Abweisung des Devolutionsantrages (§ 73 Abs 2 letzter Satz AVG) ist nach der Aktenlage nicht erkennbar.