26.05.2010 Verfahrensrecht

VwGH: § 33 TP 5 Abs 1 Z 1 GebG - Bestandverträge

Für die Zuordnung eines Rechtsgeschäftes zu einem Gebührentatbestand ist immer das Gesamtbild maßgeblich, nicht das einzelne Sachverhaltselement; auch dann, wenn ein Vertrag Elemente verschiedener Vertragstypen enthält, ist er gebührenrechtlich nach seinem objektiv erkennbaren, überwiegenden rechtlichen bzw wirtschaftlichen Zweck zu beurteilen


Schlagworte: Gebührenrecht, Bestandverträge
Gesetze:

§ 33 TP 5 Abs 1 Z 1 GebG

GZ 2008/16/0182, 11.03.2010

VwGH: Gem § 33 TP 5 Abs 1 Z 1 GebG unterliegen Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, einer Gebühr im Allgemeinen von 1 vH nach dem Wert.

Nach stRsp umfasst diese Gesetzesstelle nicht nur die sog "lupenreinen" Bestandverträge iS der §§ 1090 ff ABGB, sondern insbesondere auch Verträge, die sich nur ihrem Wesen nach als eine Art Bestandvertrag darstellen, weil sie zwar von den Regeln der §§ 1090 ff ABGB abweichen, aber auf Grund von für Bestandverträge charakteristischen Merkmalen noch als Bestandvertrag im weiteren Sinn anzusprechen sind.

Für die Zuordnung eines Rechtsgeschäftes zu einem Gebührentatbestand ist immer das Gesamtbild maßgeblich, nicht das einzelne Sachverhaltselement; auch dann, wenn ein Vertrag Elemente verschiedener Vertragstypen enthält, ist er gebührenrechtlich nach seinem objektiv erkennbaren, überwiegenden rechtlichen bzw wirtschaftlichen Zweck zu beurteilen.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist hervorzuheben, dass die Bf selbst betont, dass ihr Vertragspartner insbesondere dem Kunden (also im vorliegenden Fall der Bf) einen Stellplatz ("Cabinett, Cage oder Private Room") für seine Server zur Verfügung stellt, darin dem Kunden die entsprechende Infrastruktur (insbesondere Schnittstellen) bietet, durch die der Kunde über Glasfaserverbindungen Zugang zu europäischen Internetknotenpunkten erhält, durch eigene Notstromaggregate und eine entsprechende Klima- und Brandschutzanlage den ununterbrochenen, stabilen und sicheren Lauf der Server des Kunden gewährleistet und durch hohe Sicherheitsstandards verhindert, dass Unbefugte zu den Kundenservern gelangen.

Damit ist aber das Schicksal der Beschwerde bereits entschieden. Ungeachtet des Umstandes nämlich, dass der vorliegende Vertrag in der Tat auch Elemente insbesondere eines Verwahrungsvertrages enthält, überwiegen doch die für einen Bestandvertrag charakteristischen Elemente (nämlich die Ermöglichung der Benützung einer im Vertrag definierten Örtlichkeit - samt den dort vorhandenen fixen Einrichtungen in Gestalt insbesondere der Internetanschlüsse, der garantierten Stromversorgung, der Leistungen der Klima- und Brandschutzanlage sowie der vorhandenen Sicherheitskontrollen - in einem Gebäude auf Zeit gegen Entgelt) so klar, dass die belangte Behörde frei von inhaltlicher Rechtswidrigkeit die Vereinbarung dem Gebührentatbestand nach § 33 TP 5 Abs 1 Z 1 GebG subsumieren durfte.

Daran vermag im vorliegenden Zusammenhang auch der Umstand nichts zu ändern, dass in der Klausel 3 der AGB eine gewisse Zutrittsbeschränkung vorgesehen ist. Auch betreffend zB einen Schrankfachvertrag, der zivilrechtlich durchaus als Mietvertrag angesehen werden kann, ist es so, dass der Fachmieter nicht ohne Mitwirkung der Bank Zugang zum Safe hat.

Übernimmt es ein Bestandgeber gegenüber dem Bestandnehmer, neben der Überlassung des Gebrauchs der Bestandsache (hier also des vertraglich definierten Aufstellungsortes für die Server des Kunden) auch noch anderstypische Leistungen zu erbringen, die im vorliegenden Fall der Erhaltung der vom Kunden eingebrachten Server bzw der Erleichterung der Ausübung des bestimmungsgemäßen Gebrauches der Sache dienen, dann ist auch das Entgelt, welches der Bestandnehmer für die Erbringung der sonstigen Leistungen seines Partners bezahlen muss, Teil des "Preises" und damit Bemessungsgrundlage für die Rechtsgebühr.