24.01.2010 Verfahrensrecht

VwGH: Zur Rechtsmittelbelehrung nach § 61 AVG

Nicht nur eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, sondern auch eine (bloß) irreführende Rechtsmittelbelehrung kann die Rechtsfolgen des § 61 Abs 4 AVG auslösen


Schlagworte: Rechtsmittelbelehrung, unrichtige Angabe, irreführend
Gesetze:

§ 61 AVG

GZ 2009/08/0252, 18.11.2009

Der Bf bringt vor, aus der Rechtsmittelbelehrung des Einspruchsbescheides gehe zwar hervor, dass die Berufung vom Einspruchswerber bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft einzubringen sei. Mit der erforderlichen Eindeutigkeit und Klarheit sei daraus aber nicht zu entnehmen, dass dies in gleichem Maße auch für einen Berufungswerber zu gelten habe. Auch der weitere Hinweis auf der gleichen Seite des Einspruchsbescheides ("Wenn Sie mit uns schriftlich in Verbindung treten wollen, richten Sie Ihr Schreiben bitte an das Amt der Oö Landesregierung, Bahnhofsplatz 1, 4021 Linz, und führen Sie das Geschäftszeichen dieses Schreibens an") trage wenig zur Klarstellung bei. Es bleibe unerfindlich, weshalb dem Bf verwehrt werden solle, seine schriftliche Berufung "als mit der Behörde in Verbindung treten wollende Partei" unter Anführung der maßgeblichen Geschäftszahl nicht auch beim Amt der Oö Landesregierung als Einspruchsbehörde einzubringen. Immerhin würden sich auf der angesprochenen Seite 10 des erstinstanzlichen Bescheides gleich drei Behörden finden, und zwar das Bundesministerium für die zu erhebende Berufung, die Sozialversicherungsanstalt für die vom Einspruchswerber einzubringende Berufung und das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung für die von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft einzubringende Berufung "sowie für den Fall, wenn die Partei schriftlich mit ihr in Verbindung treten will." Es sei nahe liegend, dass dieser "Irrgarten" nach dem Maßstab eines juristischen Laien "als dort nicht einmal genannter Berufungswerber", ohne dabei diffizile Überlegungen anstellen zu müssen, auch anders als von der belangten Behörde verstanden werden könne und insofern die zumindest objektive Möglichkeit einer Irreführung bestehe. Da der angefochtene Bescheid nicht mit unmissverständlicher Klarheit zweifelsfrei erkennen lasse, bei welcher Behörde der Bf seine Berufung einzubringen habe, da der Bescheid keine eindeutigen Angaben über die Einbringungsbehörde bzw mehrere in Frage kommende Einbringungsstellen enthalte, dürfe sich der Bf auf § 61 Abs 4 AVG berufen.

VwGH: Gem § 61 Abs 1 AVG hat die Rechtsmittelbelehrung anzugeben, ob der Bescheid noch einem weiteren Rechtszug unterliegt oder nicht und bejahendenfalls, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist. Sie hat ferner auf die gesetzlichen Erfordernisse der Bezeichnung des angefochtenen Bescheides und eines begründeten Rechtsmittelantrages hinzuweisen. Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist gem § 61 Abs 4 AVG das Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht, wenn es bei der Behörde, die den Bescheid ausgefertigt hat, oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde.

Nach der Rechtsprechung des VwGH kann nicht nur eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, sondern auch eine (bloß) irreführende Rechtsmittelbelehrung die Rechtsfolgen des § 61 Abs 4 AVG auslösen. Ein derartiger Fall liegt hier jedoch entgegen der Ansicht des Bf nicht vor:

Die Rechtsmittelbelehrung im Einspruchsbescheid legt klar, an wen sich eine Berufung zu richten hat, und sie führt auch unmissverständlich und dem Gesetz entsprechend aus, bei welcher Einbringungsstelle die Berufung einzubringen ist. Dass dabei unterschiedliche Einbringungsstellen angegeben werden, je nach dem von welcher Partei des Verwaltungsverfahrens die Berufung erhoben wird, ergibt sich aus § 415 Abs 2 ASVG, wonach abweichend von der allgemeinen Regelung des § 63 Abs 5 AVG eine Berufung der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt bei der Einspruchsbehörde einzubringen ist.

Anders als nach dem Sachverhalt, der dem Erkenntnis vom 15. Februar 2006, 2005/08/0063, zu Grunde lag, ist die Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich der vom Einspruchswerber einzubringenden Berufung in einem eigenen Satz gefasst, sodass der Bf bei Aufwendung durchschnittlicher Aufmerksamkeit nicht annehmen konnte, dass die ausdrücklich für die Einbringung einer Berufung durch die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt angegebene Anschrift der Einspruchsbehörde auch für die Einbringung der vom Bf zu erhebenden Berufung maßgeblich wäre.

Der VwGH vermag auch nicht zu erkennen, dass die Verwendung des Wortes "Einspruchswerber" in der Rechtsmittelbelehrung zur Irreführung geeignet wäre, wird diese Bezeichnung doch im Einspruchsbescheid durchgehend für den nunmehrigen Bf verwendet, zumal dessen Rolle vor der Einspruchsbehörde eben die eines Einspruchswerbers ist. Eine die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung auslösende Fehlbezeichnung liegt damit nicht vor. Ebenso wenig vermag der Hinweis auf die Postanschrift der Einspruchsbehörde für den Fall einer schriftlichen Kontaktaufnahme zur Fehlerhaftigkeit der von diesem Hinweis auch nach dem Schriftbild klar und deutlich getrennten, dem Gesetz entsprechenden Rechtsmittelbelehrung zu führen.