19.05.2009 Verfahrensrecht

VwGH: Möglichkeit der Akteneinsicht nicht zur Kenntnis gebrachter Beweismittel - Verletzung des Parteiengehörs?

§ 45 Abs 3 AVG stellt klar, dass der Partei die Möglichkeit einzuräumen ist, nicht nur vom Ergebnis der Beweisaufnahme bzw vom Abschluss des Ermittlungsverfahrens Kenntnis, sondern auch dazu Stellung zu nehmen, wobei alle Feststellungen des Ermittlungsverfahrens, welche von der Behörde bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden, den Parteien von Amts wegen und unter Angabe der Beweismittel zur Kenntnis zu bringen sind


Schlagworte: Ermittlungsverfahren, nicht zur Kenntnis gebrachte Beweismittel, Möglichkeit der Akteneinsicht, Verletzung des rechtlichen Gehörs, von Amts wegen
Gesetze:

Art 6 EMRK, § 45 AVG

GZ 2007/03/0120, 25.03.2009

Der Bf weist darauf hin, dass ihm zwar der Text der Strafanzeige der Polizeiinspektion Tulln elektronisch zur Stellungnahme übermittelt worden sei, nicht aber die Beilage mit den Fotos. Von diesen Fotos habe er erstmals durch den angefochtenen Bescheid erfahren, auch in der Strafanzeige selbst sei auf die Foto-Beilage nicht hingewiesen worden.

Die belangte Behörde führt dazu in ihrer Gegenschrift aus, dass der Bf, hätte er dies verlangt, auch die "Tatortfotos" bekommen hätte; ebenso "hätte es kein Problem dargestellt, wenn der Bf oder sein rechtsfreundlicher Vertreter bei der belangten Behörde Akteneinsicht nehmen hätte wollen." Weder der Bf noch dessen rechtsfreundlicher Vertreter hätten jedoch um Akteneinsicht oder Übermittlung der gesamten Akten ersucht.

VwGH: Nach stRsp des VwGH stellt § 45 Abs 3 AVG klar, dass der Partei die Möglichkeit einzuräumen ist, nicht nur vom Ergebnis der Beweisaufnahme bzw vom Abschluss des Ermittlungsverfahrens Kenntnis, sondern auch dazu Stellung zu nehmen, wobei alle Feststellungen des Ermittlungsverfahrens, welche von der Behörde bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden, den Parteien von Amts wegen und unter Angabe der Beweismittel zur Kenntnis zu bringen sind. Der Hinweis in der Gegenschrift, dass dem Bf die Akteneinsicht möglich gewesen wäre, reicht daher nicht aus. Auch Sachverständigenäußerungen des entscheidenden Organs unterliegen, sofern sie Niederschlag in der Entscheidung finden, dem Parteiengehör.

Der Bf hat in seinem Beschwerdevorbringen konkrete Einwendungen zu den Feststellungen der belangten Behörde, die auf Grund der ihm nicht zur Kenntnis gebrachten Beweismittel getroffen wurden, vorgebracht. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Wahrung des Parteiengehörs zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.