VwGH: Gerichtsgebühren bei Vergleich, der keine Differenzierung von Haupt- und Nebenforderungen aufweist
Die Parteien eines streitbeendenden gerichtlichen Vergleiches haben bei der Formulierung der im Vergleich begründeten Verpflichtung privatautonom vollkommen freie Hand, was sie zum Gegenstand der vergleichsweisen Verpflichtung machen und ob sie dabei überhaupt zwischen Haupt- und Nebenforderungen, also zB zwischen Kapital, Zinsen und Kosten differenzieren
§ 18 GGG, § 14 GGG, § 54 JN
GZ 2007/16/0099, 23.10.2008
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung schlossen die Streitteile einen prozessbeendenden Vergleich, worin sich eine beklagte Partei zur Bezahlung eines Betrages von EUR 197.500,-- verpflichtete, wobei festgehalten wurde, dass damit "sämtliche Forderungen (Kapital, Zinsen und Kosten) aus dem gegenständlichen Rechtsstreit verglichen" sind. Mit Zahlungsauftrag forderte die Kostenbeamtin des HG Wien von der Beschwerdeführerin restliche Pauschalgebühr im Ausmaß von EUR 989,17 zuzüglich Einhebungsgebühr iHv EUR 7,-- an.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin einen als "Einspruch" bezeichneten Berichtigungsantrag, worin sie behauptete, in der Vergleichssumme seien von der ursprünglichen Klagssumme nur 70 % (= EUR 85.187,01) enthalten, der Rest belaufe sich auf Zinsen und Prozesskosten.
VwGH: Nach ständiger hg Rechtsprechung ist bei Vergleichen für die Gerichtsgebührenpflicht der Inhalt des tatsächlich geschlossenen Vergleiches maßgebend.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist der Beschwerde entgegenzuhalten, dass die Parteien eines streitbeendenden gerichtlichen Vergleiches bei der Formulierung der im Vergleich begründeten Verpflichtung privatautonom vollkommen freie Hand haben, was sie zum Gegenstand der vergleichsweisen Verpflichtung machen und ob sie dabei überhaupt zwischen Haupt- und Nebenforderungen, also zB zwischen Kapital, Zinsen und Kosten differenzieren.
Im vorliegenden Fall haben die vergleichschließenden Streitparteien gegenüber dem ursprünglichen Klagsbetrag, der an Kapital EUR 144.953,53 betrug, im Vergleich die Summe von EUR 197.500,-- zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht und damit den Wert des Vergleiches gegenüber dem des ursprünglichen Streitgegenstandes erhöht, ohne dabei in irgendeiner Weise zwischen Hauptforderung und Nebenforderungen zu differenzieren.
Damit war aber iSd Maßgeblichkeit der Anknüpfung an formale äußere Tatbestände trotz der Formulierung in der Streitbereinigungsklausel kein Raum für irgendwelche Nachforschungen des Kostenbeamten dahin gegeben, in welchem Ausmaß in der Vergleichssumme allenfalls Zinsen und Kosten enthalten sein könnten. Die Vergleichsparteien haben sich im vorliegenden Fall (ganz gleich wie ein Kläger, der zB Zinsen kapitalisiert und damit zum Bestandteil der Hauptforderung macht) damit selbst um die Anwendung des § 54 Abs 2 JN gebracht. Die zitierte Bestimmung wäre nur dann anwendbar, wenn die Parteien den Vergleichsbetrag ziffernmäßig in einen Teil betreffend die Hauptforderung und einen weiteren Teil betreffend Nebenforderungen zergliedert hätten.