VwGH: Behauptete Einwendung in der mündlichen Verhandlung, die in der Niederschrift keine Deckung findet
Eine Niederschrift, die nicht dem § 14 AVG entspricht, verliert zwar nicht jeglichen Beweischarakter; sie unterliegt jedoch gem § 45 Abs 2 AVG der freien Beweiswürdigung der Behörde
§ 14 AVG, § 15 AVG, § 45 Abs 2 AVG, § 42 AVG
GZ 2007/07/0047, 25.09.2008
Der Beschwerdeführer behauptet, in der mündlichen Verhandlung Einwendungen erhoben zu haben, die aber keinen Eingang in die Verhandlungsschrift gefunden hätten.
VwGH: Eine ordnungsgemäß aufgenommene Niederschrift ist eine öffentliche Urkunde. Sie liefert auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vollen Beweis dessen, was darin festgehalten wird. Die volle Beweiskraft einer Niederschrift nach Maßgabe des § 15 AVG ist nur dann gegeben, wenn die Niederschrift vollinhaltlich dem § 14 AVG entspricht, mag auch gegen sie keine Einwendung (iSe Protokollrüge) erhoben worden sein. Weist die Niederschrift Mängel auf, so ist der Inhalt der Amtshandlung von Amts wegen zu ermitteln.
Die in Post-Nr 23 enthaltene Feststellung enthält lediglich die Erklärung, dass Verhandlungsteilnehmer, welche keine Stellungnahme abgegeben haben, die Parteistellung verlieren, also eine Wiederholung des § 42 AVG. Welche Verhandlungsteilnehmer keine Stellungnahme abgegeben haben, geht weder aus dieser Feststellung noch aus einem sonstigen Teil der Verhandlungsschrift eindeutig hervor. Es kann daher auch nicht zweifelsfrei beurteilt werden, ob der Beschwerdeführer eine Stellungnahme abgegeben hat.
Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der üblicherweise in einer Verhandlungsschrift anzutreffende Passus enthalten wäre, dass alle jene Verhandlungsteilnehmer, von denen keine Stellungnahme protokolliert ist, eine solche nicht abgegeben haben. Somit vermag die Niederschrift nicht richtig und verständlich den Verlauf und den Inhalt der Verhandlung wiederzugeben, was einen Mangel der Niederschrift iSd § 14 AVG bewirkt. Die Verhandlungsschrift ist daher nicht geeignet, vollen Beweis iSd § 15 AVG zu liefern.
Eine Niederschrift, die nicht dem § 14 AVG entspricht, verliert zwar nicht jeglichen Beweischarakter; sie unterliegt jedoch gem § 45 Abs 2 AVG der freien Beweiswürdigung der Behörde. Es obliegt dann nicht der Partei, den Gegenbeweis für die Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zu führen, vielmehr hat in diesem Fall die Behörde durch geeignete Ermittlungen von Amts wegen den vollen Beweis für den Inhalt der Amtshandlung darzulegen.