VwGH: Abstandnahme von der Festsetzung iZm nicht durchsetzbarem Abgabenanspruch - darf eine Maßnahme nach § 206 lit b BAO unabhängig davon ausgesprochen werden, ob der Abgabenanspruch etwa im Wege der Geltendmachung einer Haftung einbringlich ist?
§ 206 lit b BAO stellt nicht auf eine konkrete Person, sondern auf den Abgabenanspruch als solchen ab; beim Anspruch, der gegenüber dem (Primär)Schuldner geltend gemacht wird, und beim Anspruch, der im Wege einer Haftung geltend gemacht wird, handelt es sich um denselben Anspruch
§ 206 lit b BAO
GZ 2010/15/0150, 31.03.2011
VwGH: Die Abstandnahme von der Festsetzung nach § 206 lit b BAO ist zulässig, wenn mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass "der Abgabenanspruch" nicht durchsetzbar sein wird. Die Regelung stellt auf den "Abgabenanspruch" ab.
Beim Anspruch, der gegenüber dem (Primär)Schuldner geltend gemacht wird, und beim Anspruch, der im Wege einer Haftung geltend gemacht wird, handelt es sich um denselben Anspruch. § 206 lit b BAO stellt auf diese anspruchsbezogene Betrachtung ab. Der Text dieser Vorschrift nimmt nicht Bezug auf eine Person, sondern allein auf den Anspruch als solchen.
Dieser Regelungsinhalt des § 206 lit b BAO erweist sich insbesondere vor dem Hintergrund der Regelung des § 248 BAO, nach welcher eine zur Haftung herangezogene Person gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch - so ein solcher ergangen ist - berufen kann, als sachgerecht. Das eigenständige Berufungsrecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch steht dem Haftungspflichtigen nach seiner Heranziehung zur Haftung auch dann zu, wenn der Bescheid vom Erstschuldner mit Berufung bekämpft wurde und diesbezüglich bereits eine Berufungsentscheidung vorliegt. Diesfalls gilt dem Haftungspflichtigen gegenüber die Berufungsentscheidung als erstinstanzlicher Bescheid. Hätte § 206 lit b BAO den von der belangten Behörde angenommenen Inhalt, müsste der in der Folge zur Haftung Herangezogene einen Bescheid bekämpfen, mit dem ausgesprochen wurde, dass (teilweise) von der Festsetzung der haftungsgegenständlichen Abgaben Abstand genommen worden ist.
Der Bescheid über den Abgabenanspruch entfaltet (hinsichtlich der Frage der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung, insbesondere auch der Höhe nach) Wirkungen gegenüber dem Haftenden. Solcherart erweist es sich als folgerichtig, dass Maßnahmen nach § 206 lit b BAO in Bezug auf die Einbringlichkeit nicht auf einen konkreten Abgabenschuldner, sondern auf den Anspruch als solchen abstellen. Daran ändert der im angefochtenen Bescheid angesprochene Umstand nichts, wonach die Geltendmachung einer Haftung nicht die vorangehende Erlassung eines Abgabenbescheides voraussetzt und ein Haftungspflichtiger dann in seiner Berufung gegen den Haftungsbescheid die Richtigkeit (auch die Höhe) des Abgabenanspruches bekämpfen kann, wenn kein Abgabenbescheid erlassen worden ist.