VwGH: Verlangen des Referenten, dass der gesamte Berufungssenat zu entscheiden hat (§ 282 Abs 1 Z 2 BAO) - Rückziehung des Verlangens in der Berufungsverhandlung?
Fällt die Grundlage dafür weg, gem § 282 Abs 1 Z 2 zweiter Fall BAO die Entscheidung des gesamten Berufungssenates zu verlangen, so ist dies mangels gegenteiliger Regelung im Gesetz auch noch in der Berufungsverhandlung wahrzunehmen
§ 282 Abs 1 Z 2 BAO
GZ 2005/13/0090, 29.09.2010
Den Bescheid vom 7. Juli 2004 hat die belangte Behörde, wie sie in der Begründung darlegt, nur mit Rücksicht auf ein von der Referentin (§ 270 Abs 3 BAO) gestelltes Verlangen gem § 282 Abs 1 Z 2 BAO in Senatsbesetzung erlassen. Die Entscheidung über die im Jahr 1993 erhobene Berufung betreffend die Einkommensteuer 1991 wäre - auch nach Ansicht der belangten Behörde - gem § 282 Abs 1 BAO und übergangsrechtlichen Bestimmungen der Referentin oblegen. Der Bf hatte jedoch auch eine die Einkommensteuer für das Jahr 1992 betreffende Berufung erhoben, für die wegen eines vom Bf gestellten Antrages nach § 282 Abs 1 Z 1 BAO die Zuständigkeit des gesamten Berufungssenates gegeben war. Mit Rücksicht hierauf - und nach der Darstellung der belangten Behörde aus keinem anderen Grund - hatte die Referentin die Berufung gem § 282 Abs 1 Z 2 BAO dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Zu Beginn der über beide Berufungen anberaumten Berufungsverhandlung legte der Bf jedoch nicht nur eine Vorhaltsbeantwortung vor, sondern erklärte auch, die Berufung betreffend den Bescheid über die Einkommensteuer für das Jahr 1992 zurückzuziehen.
VwGH: Es ist nicht strittig, dass sich die Senatszuständigkeit der belangten Behörde nur auf das von der Referentin gestellte Verlangen gem § 282 Abs 1 Z 2 BAO gründete. Zu einem solchen Verlangen, das den Gesetzesmaterialien zufolge im Ermessen des Referenten liegen soll, ist der Referent nicht verpflichtet.
Wurde das Verlangen gestellt und ihm entsprochen, obwohl das Verlangen nicht "zulässig" war, so belastet dies die Senatsentscheidung nach Ansicht des VwGH mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. Ein Verlangen, eine Berufung mit einer schon zurückgezogenen Berufung zur gemeinsamen Erledigung durch den Senat zu verbinden, wäre unzulässig. Es bleibt daher nur zu prüfen, ob das Verlangen in einem Fall wie dem vorliegenden in der Berufungsverhandlung zurückgezogen werden kann und ob es die Rechtswidrigkeit der Senatsentscheidung begründet, wenn dies nicht geschieht.
Beides ist nach Ansicht des VwGH zu bejahen, weil das Gesetz keinen Anhaltspunkt dafür bietet, eine Zurückziehung des Verlangens bei Wegfall der Voraussetzungen seiner Zulässigkeit von Anfang an - also etwa auch bei einer Zurückziehung der in die Senatszuständigkeit fallenden Berufung schon lange vor der Berufungsverhandlung - auszuschließen oder zeitlich mit dem Beginn der Berufungsverhandlung zu begrenzen. Derartiges anzuordnen, wäre Sache des Gesetzgebers. Fällt, wie im vorliegenden Fall, die Grundlage dafür weg, gem § 282 Abs 1 Z 2 zweiter Fall BAO die Entscheidung des gesamten Berufungssenates zu verlangen, so ist dies mangels gegenteiliger Regelung im Gesetz daher auch noch in der Berufungsverhandlung wahrzunehmen.