08.09.2010 Steuerrecht

VwGH: Unzumutbarkeit der Verlegung des Hauptwohnsitzes iZm alleinstehendem Vater, der am Hauptwohnsitz regelmäßig das Besuchsrecht ausübt

Kosten für Heimfahrten vom jeweiligen Arbeitsort zum Hauptwohnsitz bilden auch bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit einer Wohnung in seinem Heimatort Werbungskosten, damit dieser innerhalb angemessener Zeiträume dort nach dem Rechten sehen kann; die Erziehung und Betreuung der minderjährigen Kinder und die Bewahrung des familiären Umfeldes für diese Kinder können gewichtige Gründe darstellen, die für die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes sprechen


Schlagworte: Einkommensteuer, Werbungskosten, doppelte Haushaltsführung, Unzumutbarkeit der Verlegung des Hauptwohnsitzes, alleinstehender Vater, Ausübung des Besuchsrechts
Gesetze:

§ 16 EStG, § 20 EStG

GZ 2007/15/0297, 24.06.2010

VwGH: Der VwGH hat wiederholt erkannt, dass die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Heimfahrten zu diesem Wohnsitz dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des (Ehe)Partners bzw Partners einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft.

Der VwGH hat in mehreren Erkenntnissen auch für alleinstehende Steuerpflichtige Fahrten zwischen ihrem Hauptwohnort und einem weiteren Wohnsitz am (in unüblich weiter Entfernung gelegenen) Berufsort als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst anerkannt.

Kosten für Heimfahrten vom jeweiligen Arbeitsort zum Hauptwohnsitz bilden auch bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit einer Wohnung in seinem Heimatort Werbungskosten, damit dieser innerhalb angemessener Zeiträume dort nach dem Rechten sehen kann. Fahrtkosten zum Besuch der Eltern stellen hingegen keine Werbungskosten dar, sondern sind der privaten Lebensführung zuzurechnen.

Die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung kann ihre Ursache auch in weiteren Erwerbstätigkeiten des (alleinstehenden) Steuerpflichtigen haben.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde steht sohin der Umstand, dass sich in der Wohnung des Bf in Salzburg kein "Mehrpersonenhaushalt" befindet, als solches der Absetzbarkeit der Kosten für Fahrten zwischen dem Hauptwohnsitz in Salzburg und der Wohnung am Arbeitsort in Graz nicht entgegen.

Es kommt vielmehr auf die - im Einzelfall zu beurteilende - Frage der Zumutbarkeit der Verlegung des Hauptwohnsitzes in den Bereich des Berufsortes an. Dabei kann sich die Unzumutbarkeit insbesondere auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben.

Dass die Erziehung und Betreuung der minderjährigen Kinder und die Bewahrung des familiären Umfeldes für diese Kinder gewichtige Gründe darstellen können, die für die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes sprechen, hat der VwGH bereits in seiner Judikatur zum Ausdruck gebracht.

Im Sachverhaltsbereich steht außer Streit, dass der Bf seine elf und dreizehn Jahre alten Kinder an seinem in Salzburg beibehaltenen Hauptwohnsitz tatsächlich und kontinuierlich betreut hat und damit seinen Obliegenheiten als Vater zur Gewährleistung eines familiären Umfeldes für die Kinder und Aufrechterhaltung eines intensiven persönlichen Kontaktes laufend nachgekommen ist. Damit sind aber gewichtige, in der privaten Lebensführung verankerte Gründe vorgelegen, die für das Streitjahr eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung des Bf begründet haben.

Auch wenn der VwGH Fahrten eines alleinstehenden Steuerpflichtigen zwischen seinem Hauptwohnsitz und der Wohnung am Berufsort als beruflich veranlasst anerkannt hat, findet sich für diese Fahrten in der Rsp nicht einheitlich die Bezeichnung "Familienheimfahrten". Es bestehen aber dennoch keine Zweifel, dass auch für die steuerliche Berücksichtigung dieser Fahrten die Betragsbeschränkung des § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG zur Anwendung kommt.