11.05.2010 Steuerrecht

VwGH: § 19 Abs 2 Z 1 lit a UStG - Entstehung der Steuerschuld bei Timesharing-Verträgen

Im Falle von Anzahlungen entsteht der Steueranspruch unter der Voraussetzung, dass alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestands, dh der künftigen Lieferung oder der künftigen Dienstleistung bereits bekannt und insbesondere die Gegenstände oder die Dienstleistungen zum Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind


Schlagworte: Umsatzsteuer, Entstehung der Steuerschuld, Timesharing, vereinnahmtes Entgelt
Gesetze:

§ 19 Abs 2 Z 1 lit a UStG

GZ 2005/15/0117, 22.03.2010

Die Bf weist zunächst auf den wirtschaftlichen Hintergrund der gewählten Vertragsgestaltung hin. Es liege eine "nicht rechtsformgebundene hybride Finanzierungsform" vor. Der Bf werde langfristig Kapital zur Verfügung gestellt, das durch die jährliche Nutzung eines Hotelappartements getilgt werde. Durch die "Begebung eines Wertpapiers und durch die Anbindung an einen Tauschfonds" sei die "Übertragbarkeit der Genussrechte an einen Dritten und damit die Mobilität der Rechte wesentlich gefördert bzw überhaupt erst geschaffen worden". In umsatzsteuerlicher Hinsicht seien dementsprechend zwei getrennt voneinander zu beurteilende Sachverhalte verwirklicht: Zum einen die Begebung eines Genussrechts, diese Leistung sei nach § 6 Abs 1 Z 8 lit f UStG von der Umsatzsteuer befreit. Zum anderen die tatsächliche Nutzung des Appartements, erst diese Leistung erfülle den umsatzsteuerpflichtigen Tatbestand der Beherbergung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen.

VwGH: Nach § 19 Abs 2 Z 1 lit a UStG entsteht die Steuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind (Sollbesteuerung); dieser Zeitpunkt verschiebt sich um einen Kalendermonat, wenn die Rechnungsausstellung erst nach Ablauf des Kalendermonates erfolgt, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht worden ist. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgeltes vereinnahmt, bevor die Leistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuerschuld mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist.

Der angefochtene Bescheid geht davon aus, dass die Bf das Entgelt für ihre zu erbringenden Beherbergungsleistungen iSd § 10 Abs 2 Z 4 lit b UStG bereits in den Streitjahren vereinnahmt habe und daher die Steuerschuld gem § 19 Abs 2 Z 1 lit a zweiter Absatz UStG entstanden sei.

Dagegen wendet sich die Bf mit dem Vorbringen, die vereinbarte Leistung sei nicht hinreichend konkretisiert, um eine Steuerschuld nach der genannten Gesetzesbestimmung entstehen zu lassen. Die Bf habe schon in ihrer Berufung darauf hingewiesen, dass hinsichtlich des Leistungsempfängers keine ausreichende Bestimmbarkeit gegeben sei. Mit der Rechtsbegründung sei nicht festgestanden, wer der Empfänger der vereinbarten Leistung sein werde. Dem Genussscheininhaber sei durch die Anbindung an einen Tauschpool die Möglichkeit eingeräumt worden, sein Genussrecht gegen ein anderes Genussrecht zu tauschen. Erst mit der schlussendlichen Leistungserbringung stehe fest, wer der Empfänger der vereinbarten Leistung ist.

§ 19 Abs 2 Z 1 lit a zweiter Absatz UStG betrifft Zahlungen, die bereits als Entgelt für zu erbringende Leistungen anzusehen sind. Die Leistung muss hinreichend konkretisiert sein. Zahlungen, bei denen im Zeitpunkt der Vereinnahmung unklar ist, ob sie überhaupt für eine Leistung oder für welche Leistung sie bestimmt sind, sind nicht zu versteuern. In diesem Sinn nimmt Ruppe, UStG3, § 19 Tz 48, etwa in Bezug auf Gutscheine eine differenzierende Beurteilung vor: Gutscheine, die zum Bezug bestimmter, jedoch noch nicht spezifizierter Ware berechtigen, sind nicht zu versteuern. Gutscheine, bei denen die Leistung bereits spezifiziert ist (zB Zahlung für den Bezug einer Eintrittskarte für eine bestimmte Vorstellung) bzw bei denen eine definierte Leistung zu einem beliebigen Zeitpunkt in Anspruch genommen werden kann (zB Vorkaufsfahrscheine, Telefonwertkarten) begründen die Verpflichtung zur Anzahlungsbesteuerung (Mindest-Istbesteuerung).

Dieses Verständnis der genannten Bestimmung entspricht auch den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Nach dem Urteil des EuGH vom 21. Februar 2006, C-419/02, ist der zweite Unterabsatz von Art 10 Abs 2 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Sechsten Richtlinie 77/388/EWG so auszulegen, dass im Falle von Anzahlungen der Steueranspruch unter der Voraussetzung entsteht, dass alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestands, dh der künftigen Lieferung oder der künftigen Dienstleistung bereits bekannt und insbesondere die Gegenstände oder die Dienstleistungen zum Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind.

Angesichts des von der Bf vorgelegten Mustervertrages stellt die Beschwerde zu Recht nicht in Abrede, dass die zu erbringenden Leistungen darin mit Bestimmtheit bezeichnet werden. Die Vertragspartner halten in Pkt. 2 fest, dass "Gegenstand dieses Vertrages das ausschließliche Genussrecht des Appartements Nr. ... in der -x- Kalenderwoche, (von Samstag 16 Uhr bis 10 Uhr des darauffolgenden Samstags), für -x- Personen, für eine Zeitdauer von -x- Wochen in jedem Jahr / in jedem zweiten Jahr vom 01. Januar 2004 für 30 Jahre" ist. Wie eine noch weitergehendere Konkretisierung der künftigen Leistungen erfolgen könnte, ist nicht ersichtlich. Soweit die Bf in der Möglichkeit, eine andere Person für die betreffende Woche namhaft zu machen, eine Unbestimmtheit der vereinbarten Leistung erblickt, kann ihr nicht gefolgt werden. Auch stützt der Verweis auf Ruppe, aaO, § 1 Tz 22, das Beschwerdevorbringen nicht. Die besagte Kommentarstelle betrifft die Frage, ob überhaupt eine umsatzsteuerbare Leistung vorliegt und verneint dies mangels bestimmten Leistungsadressaten beispielsweise bei einem Verhalten, das im öffentlichen Interesse liegt und bei dem keinem speziellen Leistungsempfänger ein verbrauchbarer Nutzen zukommt, wie beispielsweise bei Prämien, die ein Unternehmer erhält, um seinen Betrieb oder Anbauflächen stillzulegen oder bei der Tätigkeit von Abgeordneten oder anderen Funktionären von Körperschaften öffentlichen Rechts, deren Aufgaben gesetzlich umschrieben sind und nicht einen bestimmten Leistungsempfänger betreffen.

Im Beschwerdefall kann von einem nicht umsatzsteuerbaren Vorgang iSd angeführten Beispiele keine Rede sein. Das Nutzungsrecht wird vielmehr einem bestimmten Vertragspartner oder einer anderen von ihm (etwa im Wege des Appartementtausches) namhaft gemachten Person eingeräumt. Der Beschwerdefall ist insofern durchaus vergleichbar mit dem Kauf einer Eintrittskarte für eine bestimmte Vorstellung (vgl nochmals das bei Ruppe, aaO, § 19 Tz 48, angeführte Beispiel für eine Anzahlungsbesteuerung). Der Umstand, dass die Eintrittskarte vom Käufer an eine andere Person weiter gegeben (getauscht, verkauft, verschenkt, etc) werden kann und bis zur konkreten Vorstellung damit noch nicht feststeht, wer tatsächlich die Aufführung konsumieren wird (oder ob der Platz gegebenenfalls auch leer bleibt), steht der Steuerbarkeit des Umsatzes ebenso wenig entgegen wie im Beschwerdefall das dem Vertragspartner eingeräumte Weitergaberecht.

Die Bf hat sich zur Bereitstellung des jeweiligen Appartements in der jeweiligen Nutzungsperiode verpflichtet; von der Nutzung des Appartements kann der "Käufer" selbst oder eine andere von ihm bevollmächtigte Person Gebrauch machen. An der von der Bf zu erbringenden Leistung der Überlassung der streitgegenständlichen Appartements ändert sich auch für den Fall nichts, dass der "Käufer" die betreffende Woche in einer anderen (gegebenenfalls ausländischen) Appartementanlage verbringt, weil diese Nutzungsüberlassung nach dem vorliegenden Mustervertrag nicht durch die Bf bewirkt wird.

Bei dieser Sach- und Rechtslage gehen die weitwendigen Beschwerdeausführungen zur "Definition von Genussrechten" und deren übliche rechtliche Ausgestaltung, sowie zum Thema "Genussscheine als Wertpapiere" und zum Wertpapierbegriff im Allgemeinen von vornherein ins Leere. Entscheidend ist, dass das von der Bf eingeräumte "Genussrecht" in nichts anderem als in der Überlassung eines genau bestimmten Appartements zur Nutzung über einen genau bestimmten Zeitraum besteht. Die dafür geleisteten Zahlungen erfüllen nach dem Gesagten den Tatbestand des § 19 Abs 2 Z 1 lit a zweiter Absatz UStG.