30.01.2010 Steuerrecht

VwGH: Zur Geschäftsführerhaftung nach § 9 iVm § 80 BAO und zur Mitwirkungspflicht

Ein durch keinerlei zahlenmäßige Angaben untermauertes abstraktes Vorbringen, im Vorfeld des Konkurses sei keine Ungleichbehandlung von Gläubigern feststellbar gewesen, stellt keinen konkreten Nachweis über die tatsächliche Gleichbehandlung oder einen Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, dar


Schlagworte: Vertreterhaftung, Mitwirkungspflicht, Bank, Verfügungsmacht, Einbehaltung der Lohnsteuer
Gesetze:

§ 9 BAO, § 80 BAO, § 78 Abs 3 EStG

GZ 2008/15/0220, 25.11.2009

VwGH: Nach stRsp des VwGH ist es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Aufgabe des Geschäftsführers ist es, im Verwaltungsverfahren allfällig vorliegende Gründe aufzuzeigen, die ihn daran gehindert haben, die Abgabenschulden am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen. Er hat darzustellen, dass ab dem Zeitpunkt, an welchem die von der Haftungsinanspruchnahme erfassten Abgaben fällig geworden sind, keine Geldmittel der Gesellschaft mehr vorhanden waren. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Reichen die liquiden Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden, andernfalls haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote.

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden.

Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Wie der VwGH bereits ausgeführt hat, ist es dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht (oder nicht zur Gänze) entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen. Diese Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind.

Gem § 173 Abs 1 BAO obliegt es der Behörde zu entscheiden, ob sie Zeugen zwecks Einvernahme vorlädt oder ob sie die Aussagen schriftlich einholt.

Die BAO räumt dem Steuerpflichtigen keinen Rechtsanspruch auf Befragung von Zeugen ein.

Die Beschwerde bringt vor, die Abgabenbehörde sei nicht schlechter gestellt worden als andere Gläubiger, weil (auch vor der Konkurseröffnung) eine verhältnismäßige Befriedigung aller Gläubigeransprüche erfolgt und daher der Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten worden sei; durch die Zeugeneinvernahmen hätte sich die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ergeben.

Nun bedeutet die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers zwar nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; entspricht der Geschäftsführer nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen. Wie der VwGH aber bereits ausgesprochen hat, ist derart allgemein gehaltenes Vorbringen, wie das eben dargestellte Vorbringen des Bf, wenn es vor der Behörde erstattet wird, nicht geeignet, eine Ermittlungspflicht der Behörde im Hinblick auf das Fehlen eines Verschuldens iSd § 9 BAO auszulösen und sie zur Vornahme bestimmter Beweisaufnahmen zu verhalten. Dazu ist ein solches Vorbringen zu wenig konkretisiert, weil es jede zahlenmäßige Festlegung unterlässt und sich in Wahrheit in einer bloßen Rechtsfolgebehauptung erschöpft. Nachvollziehbare - und insoweit einer Beweisführung erst zugängliche - Sachverhaltsbehauptungen bringt ein solches Vorbringen nicht zum Ausdruck. Nur ein konkret - und deshalb auf der Tatsachenebene beweisbarer - behaupteter Sachverhalt ist einer Beweisführung zugänglich.

Nach stRsp des VwGH hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist. Der Einwand, die Abgabenbehörde hätte amtswegige Ermittlungen anstellen müssen, liefe mangels einer konkreten Behauptung des Vertreters über die Verwendung der Mittel der X-KG auf einen Erkundungsbeweis hinaus. Einen Erkundungsbeweis aufzunehmen, ist die Behörde aber nicht gehalten.

In der Beschwerde wird vorgebracht, ein Verschulden des Bf sei schon deshalb auszuschließen, weil er in seiner kaufmännischen Gebarung von der finanzierenden Bank abhängig gewesen sei. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum seien sämtliche Geldbewegungen ausschließlich von den finanzierenden Banken abhängig gewesen, letztlich habe eine Verfügungsmacht des Bf über die Geldflüsse nicht bestanden.

Der Umstand, dass die Bank über die Verwendung der liquiden Mittel der Gesellschaft, insbesondere der Zahlungen der Kunden der Gesellschaft, rechtlich zu bestimmen in der Lage ist, ohne dass die Entrichtung der Abgaben aus diesen Mitteln sichergestellt ist, schließt ein Verschulden des Vertreters nicht aus. Das Verschulden des Geschäftsführers läge diesfalls entweder im Abschluss einer derartigen Vereinbarung mit der Bank, oder, falls eine solche Vereinbarung ohne sein Zutun zustande gekommen sein sollte, darin, dass er unter diesen Umständen seine Geschäftsführungstätigkeit fortsetzt.

Aus der Bestimmung des § 78 Abs 3 EStG, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich, dass jede vom Vertreter vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten mit den Rechtsfolgen des § 9 BAO darstellt. Daran ändert auch nichts, wenn nach Eintritt der Fälligkeit ein Stundungsansuchen gestellt wird, auch wenn, wie in der Beschwerde vorgebracht wird, "für keinen der Beteiligten auch nur ein Anhaltspunkt dahingehend zu erkennen war, dass die Lohnsteuer nicht im Sinne der Stundungsansuchen befriedigt werden könnte".

Selbst eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen stünde der Geltendmachung der Haftung nicht entgegen. Es trifft nicht zu, dass etwa die Haftung nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte und des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden dürfte, schließt doch eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit nicht aus, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen.