20.12.2009 Steuerrecht

VwGH: FinStrG - mündliche Berufungsverhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten trotz Krankheit?

Nur ein erst nach der Beschlussfassung des Senates eingelangtes Entschuldigungsschreiben hat nicht die rechtliche Wirkung, nachträglich die getroffene Entscheidung des zusammengetretenen Kollegialorgans rechtswidrig zu machen; dies gilt insbesondere dann, wenn sich aus der Formulierung des Schreibens und der Art der Einbringung ergibt, dass ein nicht rechtzeitiges Einlangen beim Berufungssenat offenbar in Kauf genommen wird


Schlagworte: Finanzstrafrecht, Berufungsverhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten, Krankheit
Gesetze:

§ 157 FinStrG, § 126 FinStrG

GZ 2007/15/0148, 28.10.2009

Der Bf bringt vor, die belangte Behörde habe die Berufungsverhandlung trotz der begründeten Verhinderung des Bf planmäßig durchgeführt. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Bf stelle für diesen einen wesentlichen Nachteil dar. Auf Grund der Erkrankung des Bf und der Übermittlung des ärztlichen Attestes einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung sei ein "entschuldbares Fernbleiben" vorgelegen. Der Bf sei gegen seinen Willen vom Berufungssenat nicht gehört worden.

VwGH: Gem § 157 FinStrG gilt für die Berufungsverhandlung die Bestimmung des § 126 FinStrG. Danach hindert, wenn der Beschuldigte einer Vorladung zur Verhandlung nicht nachkommt, ohne durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstiges begründetes Hindernis abgehalten zu sein, dies nicht die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses auf Grund des Verfahrensergebnisses.

Die Aufgabe der Finanzstrafbehörde, über einen konkreten Lebenssachverhalt ein abschließendes rechtliches Urteil zu fällen, ist in aller Regel ohne Anhörung des Beteiligten nicht zu lösen. Der Gesetzgeber erblickt, wie der Ausschließung des Abwesenheitsverfahrens bei Krankheit, Gebrechlichkeit oder bei Vorliegen sonstiger begründeter Hindernisse in dem - gem § 157 FinStrG ua auf das Rechtsmittelverfahren sinngemäß anzuwendenden - § 126 FinStrG zu entnehmen ist, in der Abwicklung der Verhandlung ohne Beteiligung des Beschuldigten grundsätzlich einen wesentlichen Nachteil für diesen.

Der VwGH hat bereits zum Ausdruck gebracht, (nur) ein erst nach der Beschlussfassung des Senates eingelangtes Entschuldigungsschreiben habe nicht die rechtliche Wirkung, nachträglich die getroffene Entscheidung des zusammengetretenen Kollegialorgans rechtswidrig zu machen. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich aus der Formulierung des Schreibens und der Art der Einbringung ergebe, dass ein nicht rechtzeitiges Einlangen beim Berufungssenat offenbar in Kauf genommen werde. Überdies müsse ein Vertagungsgesuch den Berufungssenat in die Lage versetzen, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob ein in § 126 FinStrG genanntes Hindernis vorliege, sodass über eine bloße Behauptung hinaus auch eine (insbesondere ärztliche) Bescheinigung vorgelegt werden müsse.

Im gegenständlichen Fall hat der Bf per Telefax einen Tag vor der mündlichen Verhandlung der belangten Behörde in einem unmissverständlich formulierten Schreiben mitgeteilt, dass er in einer Weise erkrankt ist, die ihm die Teilnahme an der Verhandlung unmöglich macht, und er um die Vertagung ersucht. Diesem Schreiben ist ein hinreichend nachvollziehbares ärztliches Attest angeschlossen. Bei dieser Sachlage hat die belangte Behörde, indem sie die Berufungsverhandlungen in Abwesenheit des Bf durchgeführt hat, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.