VwGH: Einkommensteuerrechtliche Relevanz von durch den Einzug einer erworbenen notleidenden Forderung erzielten Zuflüssen?
Die durch den Einzug einer zedierten notleidenden Forderung erzielten Zuflüsse stellen als unbeachtliche Veränderung des Kapitalstammes keine Einkünfte aus Kapitalvermögen und mangels Übersteigen der Zessionsvaluta binnen der einjährigen Spekulationsfrist keine sonstigen Einkünfte dar
§ 27 EStG, § 29 EStG, § 30 EStG
GZ 2006/13/0088, 11.11.2008
Der Beschwerdeführer erwarb eine notleidende Forderung iHv ATS 6 Mio um eine Zessionsvaluta von ATS 900.000. Der Beschwerdeführer zog die Forderung im Nominale von ATS 6 Mio ein. Der Schuldner beglich die Forderung in Raten. Fraglich ist, ob die ATS 900.000 übersteigenden Zuflüsse einkommensteuerrechtlich relevant sind.
VwGH: Für die Beurteilung, ob die gegenständlichen Zuflüsse Einkünfte aus Kapitalvermögen gem § 27 Abs 1 Z 4 EStG darstellen, ist relevant, ob es sich um Wertsteigerungen des Kapitalstammes selbst oder um Erträgnisse des Kapitalstammes handelt. Nur letztere sind von einkommensteuerrechtlicher Bedeutung, da im außerbetrieblichen Bereich Vorgänge der Vermögenssphäre - soweit sie nicht unter die §§ 30 und 31 EStG fallen - steuerlich nicht erfasst werden. Aus dem Blickwinkel der ursprünglichen Gläubigerin hätte die Erfüllung der Forderung nur eine Berichtigung des Kapitalstammes dargestellt. Durch die Zession wurde dem Beschwerdeführer die "Rechtszuständigkeit" der inhaltlich unberührt bleibenden Forderung im Nominale von ATS 6 Mio übertragen. Davon ausgehend kann auf diese unveränderte Forderung oder iSe wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf die niedrigere Zessionsvaluta abgestellt werden. Selbst wenn man ab der Zession von einer Forderung iHv ATS 900.000 ausgeht, muss, entsprechend dem das Steuerrecht prägenden Nominalwertprinzip, der erzielte höhere Einlösungsbetrag mangels anderer Anhaltspunkte und quasi als "Umkehrung" des seinerzeitigen Abwertungsvorganges jedoch als Ausfluss einer im gegebenen Zusammenhang unbeachtlichen Veränderung des Kapitalstammes gewertet werden. Der Tatbestand des § 27 Abs 2 Z 2 EStG ist schon deshalb nicht erfüllt, weil sich dieser ausschließlich auf Wertpapiere bezieht.
In Hinblick darauf, ob die erlösten Beträge sonstige Einkünfte iSd § 29 Z 2 iVm § 30 Abs 1 Z 1 lit b EStG darstellen, bedarf es keiner näheren Erörterung der in der österreichischen und deutschen Lehre unterschiedlich beantworteten Frage, ob die Einziehung einer Forderung als Veräußerung iSd § 30 Abs 1 Z 1 EStG zu qualifizieren ist. Fest steht im gegenständlichen Fall nämlich, dass innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist nur ein die Zessionsvaluta nicht erreichender Betrag der übertragenen Forderung eingelöst werden konnte. Auch wenn für die Fristberechnung grundsätzlich die obligatorischen Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfte maßgeblich sind, trifft dies auf die Einlösung einer Forderung - sieht man sie als Veräußerung an - nicht zu, weil die Zahlung/Tilgung kein Verpflichtungsgeschäft darstellt und mithin nur im Rahmen des tatsächlich Geleisteten - zumal wenn unklar ist, in welchem Umfang weitere Zahlungen eingehen werden - Berücksichtigung finden kann.